0293 - Im Netz des Vampirs
Muriels ungläubige Stimme.
Ahnungsvoll drehte er sich um und sah das Mädchen auf eine Gestalt zugehen, die wie aus dem Nichts heraus drei Schritte von ihr entfernt aufgetaucht war.
Claude Ferrier?
Zamorra wischte sich über die Augen.
Teufelsspuk, war sein erster Gedanke. Schickte Sanguinus jetzt auch Fata Morganen gegen sie ins Feld?
Ehe Zamorra reagieren konnte, hatte Muriel die Gestalt, die wie der Bürgermeister aussah, auch schon erreicht. Ferrier trat ihr sogar mit ausdrucksloser Miene noch einen Schritt entgegen, um das Zusammentreffen zu verkürzen.
Muriel merkte zu spät, daß sie einem Zombie gegenüberstand - einem lebenden Toten!
Blitzartig schnellte die Faust des Wiedergängers hoch und klatschte etwas in Muriels Nacken.
Das Mächen schrie gellend auf. Muriel sank kraftlos in die Knie, erreichte jedoch nicht den Boden, weil vorher eine Art Kraftschub durch sie hindurchging und ihren Sturz auffing. Marionettenhaft, ungelenk richtete sie sich abrupt wieder auf. Ihr Gesicht war blaß und leblos geworden, aber im Gegensatz zu ihrem Vater war noch natürliches Leben in ihr. Nur konnte sie plötzlich nicht mehr selbst damit umgehen. Etwas Fremdes, Böses hatte Besitz von ihr ergriffen und lenkte sie nun.
Überdeutlich sah Zamorra das rötliche Geflecht im Nacken des Mädchens.
Ein Symbiont, erkannte er sofort. Ein parasitärer Ableger des Dämons, über den er Einfluß auf den jeweiligen Wirtskörper- nehmen konnte. Und nicht nur auf lebende, wie das Beispiel Claude Ferrier bewies. Der war tot und würde tot bleiben. Aber auch in seinem Nacken hatte sich ein organischer Klumpen festgesetzt, der den Körper befähigte, Handlungen auszuführen, obwohl er mittlerweile seelenlos und blutleer war!
Allein, stellte Zamorra nüchtern fest. Jetzt war er ganz auf sich gestellt. Der Dämon hatte fast erreicht, worum es ihm ging. Zamorra war isoliert, allein gelassen und verwundbarer als je zuvor.
»Mach ein Ende, Dämon!« knurrte der Parapsychologe. »Komm, und zeig dich im offenen Kampf - oder bist du dazu zu feige?«
Er wußte selbst nicht, wie er sich einen »offenen Kampf« gegen einen Dämon vorstellte, völlig waffenlos, mit bloßen Händen. Aber Sanguinus brachte ihn auch nicht in die Verlegenheit, es vorführen zu müssen. Er hatte andere Mittel.
Höllisches Gelächter hallte von den Felswänden wider.
»Aus!« höhnte der Dämon. »Du hast verloren, alter Feind! Es geht zu Ende!«
Im nächsten Augenblick setzten sich Muriel und Claude Ferrier in stiller Eintracht in Bewegung und schritten auf Zamorra zu. Ein Zombie und eine Besessene, mit Mordbefehlen im Nacken.
Sanguinus trieb das Spiel auf die Spitze!
***
Erde, Vorhof zur Hölle…
Keine Nachricht, dachte Asmodis verbittert. Der Fürst der Finsternis, der im Vergleich zum Kaiser LUZIFER nur ein »ganz kleines Licht« in der Höllenhierarchie war, zeigte Nerven. Mehrmals stampfte er wild mit dem Pferdefuß auf den lavaähnlichen, knochenharten Boden seiner Residenz. Einige kleine Hilfsgeister huschten erschrocken zwischen den Säulengängen umher und verkrochen sich in den Ecken und Nischen der Unterwelt.
Asmodis schnippte mit den Fingern, nahm das giftgrüne, brodelnde Getränk im Zinnbecher aus der Luft und leerte den Kelch in einem Zug. Sekundenlang sah es so aus, als würden Schwefeldämpfe aus seinem Mund wallen. Kein Sterblicher hätte das Gemisch verkraftet, das Asmodis mit Hochgenuß vertilgte.
Anschließend fühlte er sich besser. Nachdenklich glitt sein Blick am Arm hinab und blieb an der eigentümlich verkrümmten Klauenhand hängen, die ihn ewig an seinen Erzfeind Zamorra erinnern würde. Die Hand, die ihm der Dämonenjäger mit seinem magischen Schwert abgeschlagen hatte, und die seitdem kein fester Bestandteil mehr von Asmodis’ Körper war. Statt dessen vermochte er sie kraft seiner Gedanken beliebig vom Armstumpf zu lösen und durch die Lüfte zu schicken, um anderswo Dinge zu verrichten. Das war nicht unpraktisch. Aber anstrengend. Und unvergessen war der Trennungsschmerz jenes Momentes, als die rasiermesserscharfe Klinge durch den Arm glitt…
Nein, Asmodis hatte keinen Grund, Zamorra dankbar zu sein.
Der Dämonenjäger, der bereits ganze Hundertschaften von niedriger eingestuften Dämonen, Dämonendienern und anderen Schwarzblütlern vernichtet hatte, war nicht nur fällig, sondern überfällig !
Asmodis hinkte zurück zu seinem Knochenthron und setzte sein fieberhaftes Warten fort.
Er konnte nicht sehen, was
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