0294 - Die Nacht der bestellten Morde
Zimmer.
Phil sah auf seine Armbanduhr und zählte die Sekunden. »47«, sagte er, als sich die Tür wieder öffnete und Gloria Banter in Begleitung ihres Vaters hereinkam.
»Der Name Fred Toonish sagt Ihnen nichts?« wandte ich mich an den Alten.
Der Gefragte schüttelte den Kopf.
»Und wie ist es mit Henry Bondoza?«
Banter zuckte die Schultern. »Nie gehört!« Seine Stimme war rauh und heiser. Nachdem er die beiden Worte ausgesprochen hatte, atmete er rasselnd. Dann wandte er sich ab, hielt die Rechte vor den Mund und hüstelte.
Ich überlegte sekundenlang. So ähnlich hatte Bondozas Stimme geklungen, als er mich im Distriktgebäude anrief. Aber… Nein. Es ergab keinen Sinn. John Banter konnte der Anrufer nicht gewesen sein. Warum hätte er sich für Bondoza ausgeben und uns zum New Yorker City Pier 26 locken sollen?
»Sie haben sicherlich kein sehr gutes Gedächtnis?« fragte ich langsam.
»Wieso nicht?«
»Weil Sie sich an den Namen eines Mannes nicht mehr erinnern können, dessen Beute Sie im Jahre 1937 im Auftrag einer Versicherungsgesellschaft herbeischaffen sollten.« Ich stand auf und griff nach meinem Hut. »Komm, Phil!«
An der Tür wandte ich mich noch einmal um. »22 Jahre sind eine'lange Zeit, Banter. Aber einen so interessanten Fall vergißt man doch nicht.«
***
Gegen Mittag waren wir wieder im Distriktgebäude. Während sich Phil um die Auswertung der Spuren kümmerte, die man am Tatort von Toonishs Ermordung gesichert hatte — es galt die Herkunft des Pfeils zu ermitteln und festzustellen, zu welchem Typ der Wagen gehören konnte, in dem der Mörder gekommen war —, kam mir eine Idee.
Ich ließ mich mit dem Hauptquartier der New Yorker Mordkommission verbinden. Es dauerte eine Weile. Aber schließlich hatte ich einen leitenden Beamten an der Strippe, einen Inspektor, 26 dessen Namen ich inzwischen wieder vergessen habe.
Bei ihm erkundigte ich mich nach den während der letzten 48 Stunden im Großraum New York verübten Morde. Es gab deren acht. Ich ließ mir die Umstände schildern, schied sieben aus und konzentrierte mich auf einen einzigen.
Die Leiche des Opfers war erst vor drei Stunden in einem alten Mietshaus in Brooklyn entdeckt worden. Ich ließ mir die Adresse geben, kletterte in meinen Jaguar und fuhr nach Brooklyn.
Das Haus lag in der Bensonhurst Avenue und war etwa um die Jahrhundertwende erbaut worden. Seine alten schimmligen Mauern, das schadhafte Dach, die kleinen Fenster mit den blinden Scheiben und die ausgetretenen Stufen — das alles bot keinen erfreulichen Anblick.
Die Wagen der Brooklyner Mordkommission standen noch vor dem Haus. Ein uniformierter Beamter stellte sich mir in den Weg, gab ihn aber frei, als ich ihm meinen FBI-Ausweis unter die Nase hielt.
Der Ermordete hatte eine Vierzimmerwohnung im ersten Stock gehabt.
Neugierige Hausbewohner drängten sich auf der Treppe und in dem dunklen Flur, von dessen Wänden der Kalk bröckelte. Es war ein ärmliches Milieu. Ein Stück New Yorker Slum.
Als ich die Wohnung betrat, blickte ein großer, grauhaariger Mann auf und raunzte barsch: »Was wollen Sie? Für die Presse haben wir jetzt keine Zeit. Raus!« Ich zeigte ihm meinen Ausweis. »Entschuldigen Sie!« sagte er. »Aber wir können uns hier nicht retten. Noch keine 90 Minuten sind seit unserer Ankunft vergangen, und schon wimmelt es von Reportern.«
»Ist der Ermordete noch hier?«
»Ja. Ich heiße übrigens Morris, bin Lieutenant der Mordkommission.«
»Okay, Lieutenant. Bitte führen Sie mich an den Tatort!«
In? vierten und letzten Zimmer der schmierigen Wohnung beschäftigten sich die Beamten der Mordkommission. Der Tote lag auf einer Bahre und war mit einem Leinentuch zugedeckt.
Ich zog das Tuch beiseite.
Es war ein dicklicher Mann mit gewöhnlichen Zügen. Selbst im Tode war sein Gesicht noch reichlich rötlich. Er hatte abstehende Ohren.
Ich wußte, woran ich war. Wenn nicht alles täuschte, dann handelte es sich bei diesem Toten um die Leiche des Mannes, der bei Bondoza in der Pension in der 23rd Street als zweiter Besucher erschienen war.
»Wie wurde er umgebracht?« fragte ich den Lieutenant.
»Durch einen Stich ins Herz.«
»Messer?«
Er zuckte die Achseln. »Das wissen wir noch nicht. Der Mörder hat die Waffe mitgenommen. Es kann sich auch um eine Schere oder dergleichen handeln. Die Wundränder sind zu unregelmäßig, als daß man auf eine Messerklinge schließen könnte.«
»Käme auch eine Pfeilspitze in Frage?«
»Möglich
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