0297 - Straße in die Hölle
Fratze, dann glätteten sich die Züge wieder. »Du etwa nicht?« stieß er hervor. »Ich habe Macht und Einfluß. Ist es da nicht normal, daß ich Leben, Macht und Einfluß behalten möchte?«
»Du wirkst fast menschlich«, spottete Zamorra.
»Wenn du mich nur gerufen hast, um mich zu verhöhnen, wirst du meinen Zorn erleben«, grollte der Höllenfürst. »Dann wirst du sterben, noch ehe ich mitsamt der Hölle untergehe!«
»Erlaube mir eine menschliche Schwäche«, sagte Zamorra. »Ich sehe dir ja auch deine dämonischen Schwächen nach.«
Asmodis winkte heftig ab. »Ja oder nein?«
»Gemach, gemach«, murmelte der Meister des Übersinnlichen. »Ich muß erst mehr wissen. Was ist das für eine Hexe, in deren Seele die Zeitbombe verankert ist?«
»Du willst Zeit gewinnen. Wofür? Ist einer deiner Freunde dabei, die Hölle zu erstürmen, um die Geiseln zu befreien? Keine Sorge, das schafft er nicht. Ohne meinen Willen entreißt mir niemand etwas. Aber für ihn könnte der Versuch tödlich enden. Was weiß er schon von den Gefahren, die in der Tiefe lauern?«
Zamorra atmete tief durch. Er fragte sich insgeheim, wie weit Bill inzwischen gekommen sein mochte.
»Du weichst mir aus, Asmodis. Ich brauche Informationen, sonst wird nichts aus der Sache.«
»Du? Du brauchst keine Informationen«, gab Asmodis zurück. »Ich brauche zwar deine Hilfe - aber nicht deine persönliche. Wenn du es genau wissen willst: du wirst nur dulden müssen, was geschieht.«
»Was soll das heißen?« fuhr Zamorra auf.
»Deine Gespielin wird mich in die Hölle begleiten«, sagte der Fürst trocken.
***
Bill Fleming trat durch das Weltentor und verschwand im gleichen Moment aus seiner New Yorker Wohnung. Er existierte dort einfach nicht mehr. Er glitt durch einen grauen Schacht mit wirbelnden Energieschleiern, farbigen Strukturen, die nach ihm griffen und ihn festzuhalten versuchten. Er glaubte höhnische Fratzen zu sehen, die mit säbelartigen Zähnen nach ihm schnappten. Aber sie erreichten ihn nicht, und da wußte er, daß es sich nur um Trugbilder handelte, vielleicht hervorgerufen von seiner eigenen Fantasie.
Endlich spie ihn das graue Wabern und Wallen aus. Die Umgebung veränderte sich, nahm konkrete Formen an. Bill sah das düsterrote Glühen einer gewaltigen Höhle, sah die Felsnadeln wie Zähne, sah die Lavaströme, dieses glühende Netzwerk…
Von einem Gegner war nirgends etwas zu erkennen.
Von den Zwillingen auch nicht.
Bill stand auf einer Plattform, die so aussah, als sei an der Längskante ein Streifen abgebrochen. Zwei Meter unter ihm lagen abgesplitterte Bröckchen.
Aber wo waren die beiden Mädchen?
Irritiert sah er sich immer wieder um, rief nach ihnen, während die Sekunden gnadenlos dahintropften, der Explosion der Zeitbombe entgegen. Er fragte sich, ob er einen falschen Weg genommen hatte, oder ob Zamorra den Ort falsch bestimmte. Vielleicht war sein Suchimpuls von den Kräften des Asmodis abgelenkt worden, verfälscht… und Bill war hier angekommen, an einem völlig falschen Ort, vielleicht sogar in einer Falle?
Unsicherheit ergriff ihn. Konnte es einen solchen Irrtum geben? Hieß es nicht immer, daß Irrtümer auf dem Para-Gebiet unmöglich waren? Zamorra hatte die Zwillinge doch über das Amulett angepeilt! Sicher, es arbeitete nicht immer zuverlässig - aber nur in der Hinsicht, daß es sich nicht immer einsetzen ließ. War es aber erst einmal in Aktion, dann gab es keine Fehler mehr! Es hätte den Parapsychologen zumindest auf einen Fehler hin weisen müssen!
Aber hier war weit und breit von den Zwillingen nichts zu sehen. Bill sah sich intensiv nach einem anderen Versteck um, nach einem anderen Ort, an dem sie sich in dieser Höhle befinden konnten. Aber nichts war zu sehen.
Da beschloß er, umzukehren und es noch einmal zu versuchen.
Er wollte das Weltentor betreten und sich wieder in sein Büro schleusen lassen.
***
Auf Leonardos Stirn senkten sich die Augenbrauen und fügten sich dabei über der Nasenwurzel zusammen, als er dem Bericht lauschte, den ein Hilfsgeist ihm erstattete. »Bill Fleming also ist in die Hölle vorgestoßen? Er will Asmodis die Geiseln rauben? Na, das ist ja prächtig…«
Der Mann, der zum Dämon geworden war, griff unwillkürlich mit der Hand an seine Stirn. Dort saß noch immer die Silberkugel, mit der Bill Fleming vor einiger Zeit auf ihn geschossen hatte. Er hatte geglaubt, ihn getötet zu haben. Und um ein Haar wäre ihm das auch gelungen. Leonardo war fast
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