0299 - Der Schatten kommt auf leisen Sohlen
diesem Papier eingewickelt haben?« Dave beugte sich weit vor und betrachtete den verkohlten Rest genau.
»Es war ursprünglich hellgrau, nicht wahr?«
»Ja. Ein schmutziges, unansehnliches, aber helles Grau.«
»Warten Sie mal…«, murmelte der junge Mann. Er schloß die Augen und schien sich krampfhaft zu bemühen, etwas ins Gedächtnis zurückzurufen. »Heute ist… gestern hatte ich die Änderung von Mrs. Jackson… ja, das war vorgestern.«
Er öffnete die Augen. Seine Stirn hatte sich geglättet, seine Stimme klang überzeugt.
»Vorgestern früh kam ein Kunde ins Geschäft. Mister Schnitzler war zur Bank gegangen, so daß ich den Kunden bedienen mußte. Er kaufte ein buntes Baumwollhemd und eine Garnitur Unterwäsche für den Sommer. Ich habe einen Bogen Packpapier unter dem Ladentisch hervorgeholt. Ich erinnere mich, daß der Bogen grau war. Und es muß ein gebrauchter Bogen gewesen sein, denn wenn wir die erhaltenen Pakete auspacken, streichen wir das Papier, das noch sauber ist, glatt und legen die Bogen unter den Ladentisch, von wo ich das Papier nahm. Es könnte dieses Papier hier gewesen sein. Es scheint ein bißchen dick zu sein, nicht wahr?«
»Ja, es ist verhältnismäßig dick. Wahrscheinlich läßt es sich nur mit ein wenig Kraftanstrengung falten.«
»Das stimmt! Das ist richtig!« rief Ligstone lebhaft. »Ich weiß noch, daß ich mich mit beiden Händen auf die Kanten gestützt habe, weil das Papier immer wieder auseinandergehen wollte.«
»Das ist ja großartig«, lobte ich ihn. »Jetzt versuchen Sie, sich möglichst genau an den Mann zu erinnern, dem Sie das Paket aushändigten. Würden Sie ihn überhaupt wiedererkennen?«
»Ganz gewiß, Sir.« Er hatte links am Kinn ein kleines Muttermal.
***
»Hallo, Sheppers«, sagte Budaglio und grinste den alten Schafhirten freundlich an, während Combers mißgestimmt seine klatschnassen Hosenbeine betrachtete.
»Na, ihr beiden Nichtsnutze?« krähte der alte Sheppers lustig. »Wieder nichts zu tun? Meine Güte! Zu meiner Zeit genügte ein Polizist für ein riesiges Gebiet. Heutzutage aber stolpert man hinter jedem dritten Busch über einen Polizisten. Was tun die Leute den ganzen Tag?«
Combers lachte dröhnend. Als er sah, daß sein Gefährte etwas sagen wollte, rief er ihm schnell zu:
»Sohn, das laß mich machen! — Hör zu, Alter, du kennst dich doch hier in der Gegend aus wie kein zweiter. Hast du jemanden gesehen, der mit einem Auto in das Wäldchen da drüben reingefahren ist?«
»Sicher«, nickte Sheppers, als sei es das Selbstverständlichste der Welt. »Der alte Dooley ist mit seiner Karre gestern abend reingefahren. Ich habe mir noch gedacht: Er muß langsam närrisch werden. Was tut man abends um halb zehn mit einem Auto mitten in dem Wald, he? Wenn er noch ein junger Kerl wäre, könnte ich mir's ja denken, aber in seinem Alter!«
Der alte Dooley besaß einen Store in Berlin, jenem Achthundert-Seelen-Dorf, das ein paar Meilen weiter im Süden lag.
»Woran hast du ihn erkannt, Sheppers?« erkundigte sich Combers.
»Ihn? Dooly? Ihn habe ich nicht erkannt. Seinen Wagen habe ich erkannt. Wer kennt die alte Mühle nicht?«
Das war allerdings richtig. Dooly fuhr einen Ford, der mehr Beulen als glatte Stellen hatte.
Die beiden Polizisten unterhielten sich noch eine Weile mit dem alten Schafhirten, aber es kam dabei nichts Wesentliches mehr heraus.
Sie verabschiedeten sich und traten durch das nasse, hohe Gras den Rückweg an. Als sie wieder in ihren Wagen stiegen, meinte Combers:
»Sohn, fahren wir nun runter zu Dooley oder nicht?«
»Keine Ahnung. Vielleicht sollte ich erst mal versuchen, den Sheriff zu erreichen.«
»Tu das, Sohn!«
Budaglio nahm das Mikrophon des Sprechfunkgerätes in die Hand und rief die Leitstelle im County-Sheriff-Office.
Als sich die Zentrale meldete, bat er um eine Verbindung mit dem Sheriff. Sie wurde hergestellt.
»Hallo, Sheriff! Hier spricht Budaglio. Wir haben uns die Sache angesehen. In dem Wäldchen, wo der Hubschrauber niedergegangen ist, gibt es eine zweite Lichtung — nicht weit von der ersten entfernt — und dort stand heute über Nacht ein Auto. Der alte Sheppers behauptet, es wäre der Wagen von Dooley aus Berlin.«
Aus dem Lautsprecher dröhnte die sonore Stimme des Sheriffs.
Es war eine Stimme, die ans Befehlen gewöhnt war.
»Sprechen Sie mit Dooley. Ich möchte über jede Kleinigkeit, die mit dem Wagen und dem Hubschrauber zusammenhängt, umgehend unterrichtet werden. Wenn
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