03 Die Auserwählten - In der Todeszone
versuchte Wörter zu formen, und er lehnte sich ganz dicht heran, um sie zu verstehen.
»Mir … auch«, flüsterte sie. »Ich wollte immer nur …«
Und dann wurde Thomas hochzogen und von ihr weggezerrt. Er hatte keine Kraft, dagegen anzukämpfen. Wollte es auch nicht. Sie war tot. Der Schmerz zerriss ihn fast. Brenda und Minho halfen ihm auf die Beine. Zu dritt rannten sie weiter. In einem riesigen Loch, das in die Wand gesprengt worden war, hatte sich ein Feuer entzündet – Qualm stieg auf und vermischte sich mit dem dichten Staub. Thomas hustete, aber in seinen Ohren dröhnte es nur.
Eine neue Explosion erschütterte den Raum, die die Rückwand der Lagerhalle in Stücke riss. Dahinter kamen lodernde Flammen zum Vorschein. Was von der Decke noch übrig war, stürzte jetzt ohne die stützende Wand auch herunter. Das Gebäude war dabei, endgültig zusammenzubrechen.
Sie waren an der Tür zum Wartungsraum, quetschten sich durch und sahen gerade noch Gally durch den Flat Trans verschwinden. Alle anderen waren schon weg. Thomas und seine Freunde stolperten durch den kurzen Gang zwischen den Tischen. In ein paar Sekunden wären sie alle tot. Der Lärm hinter ihnen, wo alles in sich zusammenkrachte, wurde noch lauter, wenn das überhaupt möglich war. Berstendes, knirschendes, quietschendes Metall und das dumpfe Tosen der Flammen, alles zusammen erreichte eine unvorstellbare Lautstärke. Thomas wollte nicht hinsehen, obwohl er die Welle der Verwüstung direkt hinter sich spüren konnte, als hätte er ihren heißen Atem im Nacken. Er schubste Brenda durch den Flat Trans. Um Minho und ihn herum ging die Welt unter.
Zusammen sprangen sie durch die eisige graue Wand.
Thomas bekam keine Luft. Er hustete und spuckte. Sein Herzschlag raste. Er war auf dem Holzboden der Hütte gelandet und jetzt kroch er weiter, so weit weg vom Flat Trans wie möglich, falls irgendwelche Trümmer hinter ihnen durchgeflogen kamen. Aus dem Augenwinkel bemerkte er Brenda. Sie drückte ein paar Knöpfe auf einer Bedienungseinheit, dann löste sich die graue Fläche in Luft auf. Woher weiß sie, wie das geht?, wunderte sich Thomas.
»Geh mit Minho raus«, sagte sie mit einer Dringlichkeit, die Thomas nicht verstand. Sie waren doch jetzt in Sicherheit. Oder etwa nicht? »Ich muss noch was erledigen.«
Minho war aufgestanden und kam rüber, um Thomas hochzuhelfen. »Meine grauen Zellen vertragen keine neppige Sekunde Rumgrübelei mehr. Lass die Kleine einfach machen. Komm schon.«
»Gut, das«, sagte Thomas. Die beiden sahen sich erschöpft an und durchlebten in diesen Sekunden noch einmal alles, was sie durchgemacht hatten, all den Tod und Schmerz und Schrecken. Trotzdem lag in diesem Blick auch Erleichterung. Denn vielleicht – ja, vielleicht – hatte das alles jetzt ein Ende.
Doch am meisten nahm Thomas der Tod von Teresa mit. Sie sterben zu sehen – um sein Leben zu retten – war für ihn unerträglich gewesen. Und als er jetzt dem Menschen in die Augen sah, der zu seinem besten Freund geworden war, musste er die Tränen unterdrücken. In diesem Augenblick schwor er sich, Minho niemals zu erzählen, was er mit Newt gemacht hatte.
»Klar doch, du Neppdepp«, erwiderte Minho nach einer halben Ewigkeit. Das übliche Grinsen blieb aus. Stattdessen las Thomas in Minhos Blick, dass er ihn verstand. Und dass sie beide ihre Trauer für den Rest ihres Lebens in sich tragen würden. Dann drehte Minho sich um und ging.
Nach ein paar Sekunden ging Thomas hinterher.
Als er ins Freie trat, war er überwältigt. Sie waren an einem Ort, wie er angeblich nicht mehr existierte. Üppig und grün und voller Leben. Er stand auf einem Hügel über einer Wiese mit hohem Gras und Wildblumen. Die etwa zweihundert Leute, die sie gerettet hatten, liefen durch die Gegend, manche rannten sogar und machten Luftsprünge. Auf der rechten Seite fiel der Hang zu einem von hohen Bäumen gesäumten Tal ab, das sich kilometerweit in die Ferne erstreckte und an hohen Felsen endete, deren Spitzen in den wolkenlosen Himmel ragten. Auf der linken Seite ging die Wiese nach und nach in ein Dickicht aus Sträuchern und dann in Sand über. Dahinter war der Ozean, dessen große, dunkle, von weißem Schaum gekrönte Wellen auf den Strand perlten.
Das Paradies. Sie waren im Paradies gelandet. Er konnte nur hoffen, dass er sich irgendwann auch mit dem Herzen über diese Schönheit freuen könnte.
Er hörte, wie die Tür der Hütte hinter ihm geschlossen wurde und
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