03 Die Auserwählten - In der Todeszone
Die Frau fand das Gleichgewicht wieder und drehte sich dann im grellen Scheinwerferlicht des Transporters langsam zu ihnen um.
Sie lächelte nicht mehr. Ganz und gar nicht mehr. Ihre Lippen hatten sich zu einem wütenden Zähnefletschen verzogen. Eine Seite ihres Gesichts war rot angeschwollen. Wieder bohrten sich ihre Augen in Thomas’, und er erschauderte.
Lawrence ließ den Motor aufheulen, und die Crankfrau sah aus, als wolle sie sich vor das Fahrzeug werfen, als könne sie es dadurch stoppen, doch in der letzten Sekunde wich sie zurück und sah ihnen hinterher. Thomas konnte die Augen einfach nicht von ihr abwenden. Ganz kurz schien ihr Blick klar zu werden, als hätte sie gerade begriffen, was sie getan hatte. Als sei doch noch ein letzter Rest des Menschen übrig, der sie früher einmal gewesen war.
Das zu sehen machte alles nur noch schlimmer für Thomas. »Sie war total weggetreten, aber irgendwie doch noch bei Verstand.«
»Sei nur froh, dass sie allein war«, brummte Lawrence.
Brenda drückte Thomas den Arm. »Es ist schrecklich mitanzusehen. Ich weiß, wie schlimm das für dich und Minho sein muss, was mit Newt passiert ist.«
Thomas gab keine Antwort, sondern legte nur seine Hand auf ihre.
Sie erreichten das Ende der Gasse, und Lawrence bog im Affenzahn rechts auf eine breitere Straße ab. Kleinere Gruppen waren in dem Gelände vor ihnen zu sehen. Einige rangen miteinander, als würden sie kämpfen, aber die meisten wühlten im Müll herum oder aßen Dinge, die nicht zu erkennen waren. Mehrere geisterhafte Gesichter starrten ihnen mit toten Augen hinterher, als sie vorbeifuhren.
Keiner im Transporter sagte etwas, als hätten sie Angst, jedes Wort könnte die Cranks draußen auf sie aufmerksam machen.
»Ich fass es einfach nicht, dass es so schnell bergab gegangen ist«, meinte Brenda schließlich. »Meint ihr, die Cranks hatten einen Plan ausgeheckt, um Denver an sich zu reißen? Kann es denn sein, dass die so was organisieren ?«
»Schwer zu sagen«, antwortete Lawrence. »Warnende Anzeichen gab es ja. Erst verschwanden Einwohner, dann Regierungsvertreter, immer mehr Infizierte wurden entdeckt. Aber so wie’s aussieht, müssen sich viele der armen Schweine versteckt gehalten und auf den richtigen Augenblick gewartet haben, um loszuschlagen.«
»Ja«, sagte Brenda. »Man hat wirklich den Eindruck, dass in dem Augenblick, in dem es mehr Cranks als Gesunde gab, alles komplett umgekippt ist.«
»Ist doch egal, wie es passiert ist«, erwiderte Lawrence. »Momentan zählt nur noch, wie die Lage jetzt ist. Schaut euch doch um. Die Stadt hat sich in einen lebenden Albtraum verwandelt.« Er verlangsamte das Tempo, um in eine enge, lange Gasse einzubiegen. »Fast da. Wir müssen jetzt vorsichtiger sein.« Er schaltete die Scheinwerfer aus und beschleunigte wieder.
Als sie durch die Gasse fuhren, wurde es immer und immer dunkler, bis Thomas gar nichts mehr erkennen konnte außer großen, formlosen Schatten, die allesamt wirkten, als könnten sie sich jeden Augenblick vor das Auto werfen. »Vielleicht wäre es besser, wenn wir nicht so schnell fahren würden …«
»Keine Bange«, gab der Fahrer zurück. »Ich bin diese Strecke schon tausendmal gefahren. Ich kenne sie wie meine Westen–«
Plötzlich wurden sie nach vorne geschleudert und vom Sitzgurt wieder nach hinten gerissen. Sie waren über etwas gefahren, das sich unter dem Transporter verfangen zu haben schien – etwas Großes aus Metall, dem Geräusch nach zu schließen. Der Transporter ruckte noch ein paarmal, dann kam er zum Stehen.
»Was war das?«, flüsterte Brenda.
»Ich weiß nicht«, antwortete Lawrence mit noch leiserer Stimme. »Vielleicht eine Mülltonne oder so etwas. Hat mich beinah zu Tode erschreckt.«
Er ließ den Wagen ein paar Zentimeter nach vorne rollen. Ein durchdringendes, scharrendes Kreischen erfüllte die Luft. Dann folgte ein dumpfer Schlag, ein Krachen, dann wurde alles totenstill.
»Das hab ich abgeschüttelt«, murmelte Lawrence, ohne seine Erleichterung zu verbergen. Er fuhr weiter, aber lange nicht mehr so schnell wie zuvor.
»Vielleicht könnte man ja das Licht wieder einschalten?«, schlug Thomas vor. Sein Herz pochte rasend schnell. »Man sieht ja die Hand vor Augen nicht.«
»Finde ich auch«, pflichtete ihm Brenda bei. »Den Krach hat sowieso jeder im Umkreis von zig Kilometern mitgekriegt.«
»Wahrscheinlich habt ihr Recht.« Lawrence stellte die Scheinwerfer wieder an.
Die gesamte Gasse wurde
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