Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen

Titel: 03 - Hinter dem Schleier der Tr��nen - Mein Abschied vom Harem der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Choga Regina Egbeme
Vom Netzwerk:
dem Boden. Erst jetzt bot sich mir der Compound in seiner ganzen Schönheit dar. Die Hütten mit ihren weit heruntergezogenen Dächern wirkten gemütlich, Hühner pickten im Sand und bunte Vögel kamen aus dem nur wenige Schritte entfernten Wald, um neugierig nachzusehen, ob ein paar Körner für sie abfielen. Josh war vor mir am Kochhaus angekommen. Davor hockten die Schülerinnen am Boden im Kreis. Er saß zwischen ihnen und aß wie sie eine Schale Maniokbrei. In ihrer Vertrautheit erinnerte die Situation ein wenig an unser Zuhause.
    Ezira hatte sich auf einem von mehreren etwas entfernt stehenden Hockern niedergelassen und nahm ihr Frühstück schweigend ein. Ich gesellte mich mit meiner Kalebasse, einer schlichten Holzschale, zu ihr. Buchi war bereits früh zum Krankenhaus aufgebrochen, wo ihre Patienten sie erwarteten.
    Wir aßen schweigend, denn Ezira war der Ansicht, dass Gespräche während des Essens von der Arbeit der Köchin ablenkten. Selbst solche nebensächlichen Formen von Respekt waren ihr sehr wichtig.
    Ich beobachtete Josh inmitten der Mädchenschar. Da er vor dem Essen bereits im nahen Fluss geschwommen war, hatte er sich in weite Tücher gehüllt. Leicht vorgebeugt hockte er am Boden, die Beine gekreuzt. Der Brei schien ihm zu schmecken. Als er fertig war, stellte er die Schale sanft auf den Boden vor sich. Er neigte den Kopf mal zur einen Seite, mal zur anderen, je nachdem, wem er gerade zuhörte. Wenn er etwas sagte, äußerte er sich leise, sein Lachen war hell, aber nicht aufdringlich.
    Zwei etwa 15-jährige Mädchen tuschelten miteinander und blickten missmutig zu ihm hinüber. Offensichtlich störten sie sich an seiner Anwesenheit. Das Mädchen neben ihm, schätzungsweise 14 oder 15, eine sehr zarte Person, trug die Haare zu Zöpfen geflochten. Josh umwickelte zwei der Zöpfchen, deren Garn sich gelöst hatte, erneut mit dem Faden und band sie ihr anschließend noch auf dem Kopf zusammen. Das hatte er mit den wesentlich jüngeren Mädchen zu Hause auch immer getan.
    Wer diesen Augenblick nur flüchtig wahrnahm, hätte angenommen, einer Gruppe von Freundinnen zuzusehen. Als mir das bewusst wurde, versetzte es mir einen kleinen Stich. Wo immer er bislang gelebt hatte, war er der einzige Junge. Ausgerechnet der Sohn eines Mannes, der Frauen nur zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs benutzte, benahm sich so rücksichtsvoll! Ich rief mich zur Ordnung. Mein Sohn war ein Mensch geworden, der nichts mit seinem Vater gemein hatte: Die viele Liebe, die ihn umgab, hatte den Hass nicht keimen lassen, mit dem er gezeugt worden war.
    Nachdem Ezira ihre Schale mit Maniokbrei geleert hatte, sagte sie: „Du wolltest mich etwas fragen?“
    „Jungen und Männer dürfen doch eigentlich nicht hier sein.“
    „Wer hat das gesagt?“ Ezira lachte schelmisch.
    „Du?“, fragte ich.
    Ezira zuckte mit den Schultern. „Habe ich das wirklich? Nein, ich glaube nicht. Niemand würde auf die Idee kommen, einen Jungen hierher zu schicken. Wer soll sich also beschweren, wenn es gegen keine Regel verstößt?“
    Mittlerweile hatte Josh die Haarpflege an seiner Nachbarin beendet und widmete sich nun der Nächsten.
    „Josh kennt seine Rolle als künftiger Mann nicht.“ Ezira beobachtete ihn ebenso wie ich. „Diejenigen, die in ihm den späteren Mann sehen, erkennen etwas, was nur in ihrer eigenen Vorstellung existiert.“ Sie legte die Hand auf meine Schulter. „Was siehst du denn in ihm?“
    „Braucht er nicht ein männliches Vorbild?“, fragte ich zaghaft. Immerhin wurde er in wenigen Monaten sieben Jahre alt.
    „Das ist keine Antwort auf meine Frage!“ Ezira lachte kurz auf. Es klang, als freute sie mein Gedanke keineswegs. „Männer wollen herrschen“, sagte sie kühl. „Dein Sohn muss kein Herrscher werden. Es gibt zu viele davon.
    Was glaubst du, warum ich so selten ins Dorf gehe? Ich habe zu viel von der Hässlichkeit dieser Welt gesehen, einen Krieg mit unzähligen Toten erlebt.
    Ich habe die Verstümmelten versorgt und sie dennoch sterben sehen.“ Die Erinnerung an den nigerianischen Bürgerkrieg in den 1960er Jahren, in dem sie als Krankenschwester gearbeitet hatte, ließ sie verbittert den Kopf schütteln. „Der Machtwille der Männer bringt so viel Leid und Unrecht hervor. Die Welt wäre wesentlich friedlicher, wenn es mehr Menschen wie Josh gäbe, die ganz unbewusst ihre weibliche Seite ausleben.“
    „Du meinst also, er soll gar nicht wissen, dass er nicht wie ein Junge

Weitere Kostenlose Bücher