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03_Im Brunnen der Manuskripte

03_Im Brunnen der Manuskripte

Titel: 03_Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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eine mit Blümchen bedruckte Schürze.
    »Guten Abend«, sagte ich, leicht verblüfft. »Ich freue mich,
    Sie kennen zu lernen, Mrs Bradshaw.«
    »Guten Abend«, sagte der Gorilla höflich. »Möchten Sie ein
    bisschen Kuchen zum Tee? Alphonse hat einen ausgezeichneten
    Zitronenkuchen gebacken.«
    »Das wäre ganz reizend«, stotterte ich, während mich Mrs
    Bradshaw aus ihren dunklen Affenaugen ansah.
    »Sehr gut. Ich bin gleich wieder da. Trafford, nimm deine
    Füße herunter!«
    »Was? Oh!« stammelte Bradshaw und nahm hastig seine
    Stiefel vom gegenüberliegenden Sessel.
    Als seine Frau im Haus verschwunden war, wandte er sich
    wieder mir zu und fragte mit dringlichem Flüstern: »Sagen Sie,
    Thursday, ist Ihnen etwas an der Memsahib aufgefallen?«
    »Nö«, sagte ich im Bemühen, seine Gefühle nicht zu verletzen, »eigentlich nicht.«
    »Bitte denken Sie nach, es ist wichtig. Gibt es wirklich nichts,
    was Ihnen merkwürdig vorkommt?«
    »Na ja«, sagte ich mühsam. »Sie trägt eben nur eine Schürze.«
    »Stört Sie das?« fragte er ernsthaft. »Wenn wir männliche
    Besucher haben, bitte ich sie immer, etwas mehr anzuziehen.
    Sie ist doch ein flottes Mädel, nicht wahr? Würde die Männer
    verrückt machen, nicht wahr?«
    »Sehr attraktiv, ja.«
    Er rutschte auf seinem Sessel hin und her und rückte noch
    etwas näher heran. »Sonst noch etwas?« fragte er und starrte
    mich gespannt an. »Ist Ihnen sonst noch was aufgefallen? Ich
    bin auch bestimmt nicht beleidigt.«
    »Na ja«, sagte ich langsam. »Es ist mir natürlich aufgefallen,
    dass sie...« .
    »Ja?«
    »… ein Gorillaweibchen zu sein scheint.«
    »Hmm«, sagte er und ließ sich in seinen Sessel zurücksinken.
    »Unsere kleine List hat Sie also nicht täuschen können?«
    »Ich fürchte, nein.«
    »Melanie!« rief er. »Komm, setz dich zu uns!«
    Mrs Bradshaw kam auf die Veranda zurück und setzte sich in
    einen der Klubsessel, dessen Federn unter ihrem Gewicht
    quietschten.
    »Sie weiß es, Liebling.«
    »Oh!« sagte Mrs Bradshaw, zog einen Fächer heraus und versteckte kokett ihr Gesicht. »Woran haben Sie es gemerkt?«
    Ein Diener erschien mit dem Teewagen, servierte Tee, Kuchen, Zucker und Milch, verbeugte sich höflich und ging wieder.
    »Ist es das Haar?« fragte Mrs Bradshaw und schenkte mir mit
    Händen und Füßen den Tee ein.
    »Zum Teil«, gab ich zu.
    »Ich habe dir doch gesagt, dass der Puder nicht alles abdeckt«, sagte sie unzufrieden. »Aber rasieren tu ich mich nicht.
    Das piekt so. Zwei Stück Zucker?«
    »Nur eins, bitte«, sagte ich. »Stellt es denn ein Problem dar?«
    »Hier ist es überhaupt kein Problem«, sagte Mrs Bradshaw.
    »In den Büchern meines Mannes komme ich oft genug vor, und
    der Text ist grundsätzlich so diskret, dass gar niemand auf die
    Idee kommen würde, dass ich kein Mensch bin.«
    »Wir sind jetzt seit über fünfzig Jahren verheiratet«, fügte
    Bradshaw hinzu. Das Problem ist, dass wir zu den BuchWeltPreisen eingeladen sind, nächste Woche, und Melanie ist in der
    Öffentlichkeit etwas schüchtern.«
    »Zur Hölle mit der Schickeria«, sagte ich. »Die Frau, die Sie
    lieben, ist ein Gorilla, und wer das nicht verkraftet, hat es nicht
    verdient, dass Sie ihn einen Freund nennen.«
    »Weißt du was?« sagte Mrs Bradshaw. »Ich glaube, sie hat
    recht. – Trafford?«
    »Ja, ja. Vollkommen recht!« Er lachte. »Ich weiß Frauen zu
    schätzen, die nicht zu zimperlich sind, eine Ehefrau einen
    Gorilla zu nennen. Bravo! Mag jemand Zitronenkuchen?«

    Ich nahm den Aufzug zum sechsundzwanzigsten Stock und trat
    mit dem Marschbefehl des Protokollführers in die Empfangshalle des GattungsRats.
    »Entschuldigen Sie«, sagte ich zu der Empfangsdame, die
    sich mit zwanzig Fußnotofonen gleichzeitig herumschlagen
    musste. »Ich soll mich bei Mr Salomon melden.«
    »Siebte Tür auf der Linken«, sagte sie, ohne aufzusehen. Ich
    ging den Korridor hinunter, auf dem zahllose Beamte herumwimmelten, die sich an ihre Akten klammerten. Sie sahen so
    aus, als ob ihr Wohl und Wehe davon abhinge, dass sie recht
    beschäftigt aussahen, und das traf vermutlich auch zu.
    Ich fand die richtige Tür und kam in einen Wartesaal voller
    gelangweilter Leute, die kleine Nummern in den Händen hielten und mit leeren Blicken zur Decke hinaufstarrten. Am ande-ren Ende saß ein Beamter hinter dem Empfangstisch. Er musterte meinen Marschbefehl, zog die Nase hoch und sagte: »Ah,
    da sind Sie ja endlich. Ich werde Ihnen und dem Richter

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