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03_Im Brunnen der Manuskripte

03_Im Brunnen der Manuskripte

Titel: 03_Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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schließlich von dem brandneuen und
    offensichtlich überlegenen BOOK V1 weggefegt wurde.
    BOOK war kompakt und extrem stabil, es war leicht zu lagern und ließ sich risikolos transportieren, man konnte Inhaltsverzeichnisse anlegen und jede Textstelle genau definieren. So hat sich BOOK fast achtzehn Jahrhunderte lang
    als führendes SpeicherSystem etabliert.
    WortMeister XAVIER LIBRIS
    – ErzählSysteme – die Anfänge

    Ein kleiner, blass aussehender Mann nahm den Platz des Protokollführers auf dem Podium ein. Er konnte nur mit Mühe über
    das Rednerpult blicken. Er trug ein kurzärmliges weißes Hemd,
    und die vielen Stifte in seiner Brusttasche schienen ihn fast zu
    Boden zu ziehen. Wir setzten uns hin und musterten ihn mit
    Interesse. Es gab so viele Gerüchte über UltraWord™, dass alle
    gespannt darauf waren. »Einen wunderschönen guten Morgen«,
    sagte Libris nervös. In den nächsten dreißig Minuten will ich
    versuchen, Ihnen unser neues Betriebssystem, BOOK Version 9,
    zu erläutern, das wir unter dem Namen UltraWord™ auf den
    Markt bringen wollen.«
    Die Versammlung hörte konzentriert zu, und ich hatte das
    Gefühl, dass diese Geschichte nicht bloß wichtig, sondern sehr
    wichtig war. So, als wäre man bei der Unterzeichnung eines
    Friedensvertrages dabei. Sogar Bradshaw, der kein Freund
    moderner Technologie war, beugte sich vor und hörte interessiert, wenn auch nicht ohne heftiges Stirnrunzeln zu.
    Libris zeigte das erste Blatt seines FlippCharts, und man sah
    die Abbildung eines alten Buches. »Ja«, sagte er nickend, »als
    wir in BOOK V1 das Prinzip der ›Seiten‹ eingeführt haben,
    dachten wir, dass wir den Zenith der Textaufbewahrung erreicht hätten. Unser Produkt war kompakt und leicht zu lesen,
    und mit den Technologien der integrierten SeitenZahlen™ und
    RückenTitel™ hatten wir ein Ordnungssystem, das alles übertraf,
    was SCROLL je zu leisten vermochte. Im Lauf der Jahre –«
    An dieser Stelle flippte er das erste Blatt seines FlippCharts
    nach hinten und zeigte uns eine Schautafel, auf der Bücher aus
    verschiedenen Jahrhunderten nebeneinander gestellt waren.
    »–haben wir BOOK natürlich verfeinert. Illustrationen gehörten schon zum ersten Upgrade 1.1, von Version 2 an wurden
    statt schreibender Mönche die ersten hölzernen Druckmaschi-nen benutzt. V3.1 brachte erste Versuche, eine gewisse Einheitlichkeit bei der Rechtschreibung herzustellen, ein Problem, an
    dem wir wegen periodischer Eingriffe von Unbefugten bis zum
    heutigen Tag laborieren. Die starken Verben wurden von der
    Version 4.2 an systematisch geschwächt, so dass die Unregelmäßigkeiten inzwischen fast weg sind. An der Beseitigung des
    Konjunktivs und des Genitivs wird gearbeitet. Heute benutzen
    wir BOOK V8.3, eine sehr stabile und zugleich komplexe Hybridversion, welche die Vorteile der verschiedensten Technologien miteinander verbindet und sich auch kompliziertesten
    Sachverhalten souverän anpasst. V8.3 ist die beste Gedankenübertragungstechnologie, die wir je hatten. Die Übertragung
    von Vorstellungen in das Bewusstsein des Lesers mit Hilfe des
    geschriebenen Wortes war nie schneller, zuverlässiger und
    bequemer als heute.«
    Er unterbrach sich für einen Moment. Wir wussten alle, dass
    BOOK V8.3 ein ausgezeichnetes Betriebssystem war, wenn man
    von gelegentlichen Tippfehlern und der unterschiedlichen
    Qualität der Geschichten mal absah – aber die konnte man ja
    nicht dem Betriebssystem anlasten.
    »Der Zusammenbau der Bücher in den Untergeschossen ist
    zwar sehr zeitraubend und oft genug ziemlich chaotisch, funktioniert aber insgesamt gut.«
    Es gab zustimmendes und zugleich spöttisches Gemurmel
    von Seiten der Anwesenden; es war klar, dass es dort unten
    niemand recht mochte.
    »Andererseits«, sagte Libris, »besteht die Gefahr, dass die
    endlose Wiederholung alter Ideen die Aufmerksamkeit der
    Leser nicht länger zu fesseln vermag. Die vom GattungsRat
    beauftragten Marktforscher glauben festgestellt zu haben, dass
    die immer wiederholten Handlungsabläufe in den Geschichten
    die Leser allmählich langweilen könnten.«
    »Ich glaube, das ist schon der Fall«, sagte der Protokollführer,
    entschuldigte sich aber sogleich für die Unterbrechung, und
    Libris fuhr fort.
    »Um das Problem zu verstehen, müssen wir einen Blick in
    die Vergangenheit werfen. Als wir BOOK vor achtzehnhundert
    Jahren erstellt haben, diente es vorwiegend zur Aufzeichnung
    von Ereignissen. Niemand dachte daran, dass

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