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03_Im Brunnen der Manuskripte

03_Im Brunnen der Manuskripte

Titel: 03_Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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Betreuer jede Woche zu
    wechseln ist nicht gut. Jeder muss seinen Dienst tun, auch Sie,
    Miss Havisham.«
    Sie seufzte. »Sehr wohl.«
    »Gut! Lassen Sie Ihre Schützlinge nicht warten.« Der Protokollführer zog sich hastig zurück, und Miss Havisham stand
    einen Augenblick da wie ein Vulkan, der nicht weiß, ob er
    ausbrechen soll.
    Nach ein, zwei Sekunden flackerten ihre Augen zu mir. »Hab
    ich dich etwa grinsen sehen?«
    »Aber nein, Ma'am«, sagte ich und versuchte, mein Amüsement zu verbergen. Dass ausgerechnet Miss Havisham irgendjemand beibringen sollte, wie man seine Wut kontrolliert, war
    schon ziemlich komisch.
    »Könntest du mir bitte sagen, was du so komisch findest? Ich
    würde es wirklich gern wissen.«
    »Es war ein … überraschtes Lächeln«, sagte ich vorsichtig.
    »Ach, wirklich? Also, ehe du dir einbildest, die verkorksten
    Gefühle dieser bekloppten Figuren würden mich irgendwie
    interessieren, möchte ich klarstellen, dass ich dienstlich beauftragt wurde, diesen Psychoquatsch durchzuführen. Ich bin ja
    auch zum PersonenSchutz für Heathcliff abgestellt worden und
    musste dem Befehl folgen, obwohl ich ihn lieber persönlich
    umgebracht hätte. Jetzt hol mir meinen Tee und bring ihn mir
    an den Tisch.«
    Unter den übrigen Agenten wurde aufgeregt über UltraWord™ diskutiert, und die Meinungen reichten von entschiedener Ablehnung bis zu begeisterter Zustimmung. Von Bedeutung war allerdings weder das eine noch das andere. Jurisfiktion
    war ein Instrument der Exekutive und hatte keinerlei Einfluss
    auf die Gesetzgebung – das war Sache des GattungsRats. Am
    Büffet stieß ich auf Vernham Deane.
    »Nun«, sagte er und nahm sich ein Käsehäppchen, »was meinen Sie?«
    »Bradshaw und Falstaff schienen ziemlich beunruhigt.«
    »Vorsicht wird oft unterschätzt«, sagte Vernham. »Was
    meint denn Miss Havisham?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Vern!« sagte Beatrice, die gerade mit Lady Cavendish an
    den Tisch trat. »Was hat Pu, der Bär, noch einmal für ein
    Grundmotiv?«
    »Der Triumph des Schwächeren?« sagte er.
    »Ich hab's Ihnen doch gesagt!« erklärte Beatrice und wandte
    sich Lady Cavendish zu. »Ein Bär von kleinem Verstand besiegt
    alle Widrigkeiten. Sind Sie jetzt zufrieden?«
    »Nein«, sagte Cavendish. »Es ist eine Entdeckungsreise durch
    und durch.«
    »Sie halten jede Geschichte für eine Entdeckungsreise!«
    »Aber so ist es doch auch.«
    Sie stritten sich immer noch, als ich eine Tasse auf die Untertasse stellte und nach der Teekanne griff.
    »Haben Sie Mrs Bradshaw schon kennen gelernt?« fragte
    Deane.
    »Nein«, sagte ich und stellte die Teekanne wieder weg, denn
    mir war gerade eingefallen, dass ich die Milch zuerst eingießen
    musste.
    »Bitte lachen Sie nicht, wenn sie Ihnen vorgestellt wird.«
    »Warum nicht?«
    »Ach, Sie werden schon sehen.«
    Ich griff erneut nach der Kanne und schenkte den Tee ein.
    Deane verspeiste ein weiteres Käsehäppchen und fragte:
    »Wie geht's Ihnen so? Das letzte Mal, als wir gesprochen haben,
    hatten Sie ein paar Probleme im Außenland, nicht wahr?«
    »Ich nehme jetzt am FigurenAustauschProgramm teil und
    wohne derzeit im Brunnen.«
    »Wirklich? Na, das ist ja toll. Wie geht es denn mit der neuesten Farquitt voran?«
    »Also ich glaube«, sagte ich vorsichtig, um seine Gefühle
    nicht zu verletzen, »der Arbeitstitel ist Schamlose Liebe.«
    »Klingt wie ein echter Farquitt-Roman«, seufzte Deane.
    »Wahrscheinlich gibt es eine niedliche Unschuld vom Lande,
    die von einem Schurken wie mir geschwängert und dann aus
    dem Haus gejagt wird und sich zehn Kapitel später fürchterlich
    rächt.«
    »Ja, also –«, sagte ich.
    »Wissen Sie, es ist einfach nicht fair!« sagte er, plötzlich voller Empörung. »Warum muss ich mich immer und immer
    wieder acht Seiten vor Schluss einsam und depressiv zu Tode
    saufen?«
    »Vielleicht weil Sie der Bösewicht sind, und die Bösewichter
    in den Farquitt-Romanen grundsätzlich immer bestraft werden?«
    »Es ist trotzdem nicht fair.« Er verzog das Gesicht. »Ich habe
    schon so oft um eine Interne HandlungsAnpassung gebeten.
    Über hundert Anträge hab' ich gestellt, aber sie sind alle abgelehnt worden. Könnten Sie nicht mal mit Miss Havisham reden? Ich habe gehört, dass der GattungsRat sie in den HandlungsAnpassungs-Ausschuss gewählt hat.«
    »Wäre das denn korrekt, wenn ich mit ihr rede?«
    »Na ja, nicht ganz«, gab er zu. »Aber inzwischen bin ich so
    verzweifelt … Bitte versuchen Sie's

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