Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
03_Im Brunnen der Manuskripte

03_Im Brunnen der Manuskripte

Titel: 03_Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
Vom Netzwerk:
wenigstens, ja?«
    Ich versprach es, war mir aber ziemlich klar darüber, dass ich
    es wahrscheinlich nicht tun würde. Im Rahmen der Jurisfiktion
    war Deane ein angenehmer Bursche, aber als Squire of High
    Potternews war er ein Monster. Dass er traurig, einsam und
    depressiv sterben musste, war vermutlich völlig in Ordnung –
    jedenfalls nach erzählerischen Gesichtspunkten.

    Ich brachte den Tee zu Miss Havisham, die ihr Gespräch mit
    Perkins jäh unterbrach, als ich näher kam. Sie machte eine
    Grimasse und verschwand vor meinen Augen. Rasch folgte ich
    ihr in den zweiten Stock der Großen Bibliothek, wo ich sie in
    der Brontë-Abteilung mit einer Ausgabe von Wuthering Heights
    in der Hand fand. Insgeheim war ich fest überzeugt, dass Miss
    Havisham bei all ihrem Männerhass eine gewisse Schwäche für
    Heathcliff hatte.
    »Hast du eigentlich die drei Hexen getroffen?« fragte sie.
    »Ja«, sagte ich, »sie haben behauptet –«
    »Du musst alles ignorieren, was sie sagen«, erklärte Miss Havisham. »Denk bloß mal dran, wie viel Ärger Macbeth mit
    ihnen gehabt hat.«
    »Aber sie haben gesagt –«
    »Ich will's gar nicht hören. Alles bloß Bockmist und Mumbo
    Jumbo. Sie sind und bleiben Störenfriede. Verstanden?«
    »Klar.«
    »Sag bitte nicht klar! Das ist ein fürchterlicher Jargon. Wie
    wäre es einfach mit Jawohl, Miss Havisham, oder Ja, Ma'am?«
    »Ja, Miss Havisham.«
    »Na, also. Geht doch. Komm jetzt, wir müssen zu Brontё!«
    Und damit lasen wir uns in die Seiten von Wuthering Heights.
    12.
    Sturmhöhe
    Wuthering Heights ist der einzige Roman von Emily Brontë,
    was einige für ein Glück und andere für eine Affenschande
    halten. Was genau sie geschrieben hätte, wenn sie länger gelebt hätte, ist Gegenstand der verschiedensten Spekulationen gewesen. Wahrscheinlich stets Dinge der gleichen Art,
    wenn man ihren starren und leidenschaftlichen Charakter
    bedenkt. Eines ist allerdings sicher: Was immer für Gefühle
    der Roman im Leser erzeugt, ob es nun Trauer über das
    Unglück des Paares, Ärger über Catherines Fehler oder
    nackte Wut über die Dummheit derer ist, die sich von
    Heathcliff bereitwillig quälen lassen – kaum je sind ein Haus
    und eine wilde, sturmgepeitschte Landschaft entworfen
    worden, welche die zerstörerische Leidenschaft der beiden
    Hauptfiguren so brillant widerspiegeln wie Wuthering
    Heights, und viele sagen, sie wurden nie übertroffen.
MILLON DE FLOSS
    – Wuthering Heights: Meisterwerk oder Kitsch?

    Es schneite, als wir ankamen, und der Wind wirbelte die Flocken wie einen wütenden Mückenschwarm durcheinander. Das
    Haus war viel kleiner und schäbiger, als ich es mir vorgestellt
    hatte, selbst unter der mildernden weißen Schneedecke. Die
    Fensterläden hingen schief in den Angeln, und nur ein schwacher Lichtschein drang aus dem Inneren. Es war klar, dass wir
    das Haus nicht in den guten Zeiten von Mr Earnshaw besuch-ten, sondern bereits in der Zeit, als es der düstere Heathcliff in
    seinen Besitz gebracht hatte, dessen barbarische Herrschaft sich
    in dem finsteren, windgepeitschten Wohnsitz spiegelte, auf den
    wir zugingen.
    Der Schnee knirschte unter unseren Füßen, als wir uns der
    Vordertür näherten und an das verwitterte Holz pochten. Nach
    einer langen Wartezeit wurde uns von einem sehnigen alten
    Mann geöffnet, der uns abwechselnd mürrisch ansah, ehe auf
    seinen müden Gesichtszügen plötzliche Zeichen des Wiedererkennens erschienen und er in aufgeregtes Gebrabbel ausbrach:
    »Schön's Benehmen, nach Mitternacht mit diesem üblen, gegerbten Teufel von einem Zigeuner Heathcliff auf den Feldern
    rumlungern! denken ich wäre blind, bin's aber nicht, nichts, wie
    es sein soll! hab den jungen Linton komm' und geh'n seh'n, und
    dich hab ich auch g'seh'n, du g'schlamperte Hexe! rasch, rasch
    ins Haus geflitzt, als du den Hufschlag deines Herrn auf der
    Straße gehört hast.«
    »Spar dir das!« rief Miss Havisham, für die Geduld ein
    Fremdwort war. »Lass uns rein, Joseph, sonst spürst du meinen
    Stiefel im Hintern!«
    Der Alte grummelte, hielt uns aber die Tür auf. Inmitten
    wirbelnder Schneeflocken traten wir ein und schüttelten uns
    den Schnee von den Füßen, während Joseph den Riegel vorlegte.
    »Was hat er gesagt?« fragte ich, während der Alte immer
    noch vor sich hin murmelte.
    »Keine Ahnung«, erwiderte Havisham und wischte sich den
    Schnee von ihrem grau gewordenen Brautschleier. »Genauer
    gesagt: Niemand weiß das. Komm jetzt, du musst

Weitere Kostenlose Bücher