03 - Keiner wie Wir
kann er nicht ausmachen. Andrew denkt nicht daran, ihre Zurechtweisung zu respektieren, sondern hilft ihr beim Aufstehen, auch wenn ihr das sichtlich missfällt. Sobald sie steht, befreit sie ihren Arm mit einem Ruck und weicht zurück.
»Sind Sie in Ordnung?« Es klingt monoton, sehr verhalten und wenig bis überhaupt nicht interessiert.
Wie üblich.
Erst nach einer ganzen Weile sieht sie auf und er wird mit grünen mandelförmigen Augen konfrontiert, deren Anblick ihm für einen wirren, sehr flüchtigen Moment den Atem verschlägt.
»Ja!« Das klingt atemlos, gepresst und dennoch derart aggressiv, dass Andrew einen weiteren Blick riskiert, obwohl er doch eigentlich längst weitergehen müsste. Mit zur Seite geneigtem Kopf mustert er die Remplerin genauer. Sie ist in der Tat sehr klein. Und jung. Vielleicht zwanzig, einundzwanzig. Ein gewöhnliches Mädchen mit einem ungewöhnlich ablehnenden und seltsamen Blick.
Zeit, zu gehen, Norton!
Richtig.
Doch bevor er seinen Weg fortsetzen kann, begeht er bereits den nächsten Tabubruch. Mit einiger Überraschung hört er sich fragen: »Kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein?«
Prompt meldet sich jene innere Stimme, die Andrews Drill Seargent (DS) und Terminkalender ausmacht.
Norton, du Idiot! Was soll das denn? Du hast Termine! Schon vergessen? In einer halben Stunde steht das Essen mit Saunders auf dem Plan. Danach musst du bei Dearinger auf der Matte stehen. Um vier .. .
Ruhe!
Das ist eine andere Stimme. Eine, die Andrew nur sehr selten hört. Er hat nicht viel mit ihr zu schaffen, meistens ist er froh, wenn sie ihm nicht in die Quere kommt. Doch genau diesen Moment hat sie gewählt, um sich wieder einmal in Erinnerung zu rufen. »Nun?«, hakt er nach.
Nichts geschieht. Nur diese erstaunlich geformten Augen, aus denen eine nie zuvor gesehene Ablehnung spricht, blicken zu ihm auf. Und abermals vergeht eine so empörend lange Zeit des Schweigens. Nie zuvor hat Andrew sich so lange in Geduld geübt. »Personalabteilung!«, zischt sie erstaunlich giftig.
Andrew nickt. »Sie kennen den Weg?«
Lunch, Norton! Wir haben Rushhour. Willst du dich verspäten ?
Oh, da ist es wieder! Eines der drei Worte, die Andrew hasst:
Verspätung, Verschwendung und Insubordination.
In den achtundzwanzig Jahren seines Lebens war er noch nie unpünktlich. Er hat es eilig! Neben den Terminen mit diesem Trottel Saunders und seinem Banker, Dearinger, der sich für bedeutend cleverer hält, als er in Wahrheit ist, hat er am Abend noch einen Kurztrip nach Dallas geplant.
Andrew hat keine Zeit! Und dieses Mädchen kostet ihn genau das!
»Fahren Sie mit dem Aufzug in die zweiundzwanzigste Etage«, erklärt er ihr, ohne seine wachsende Anspannung durchblicken zu lassen. »Dort folgen Sie den Hinweisschildern.«
Sie nickt und Andrew meint, unterdessen ist sie sogar noch blasser geworden. Kränklich blass. Sofort setzt das professionelle Kalkulieren ein.
Blass? Kränklich? Kaum Vitalität?
Fazit: nicht belastbar!
Und wieder spricht er, wenngleich er längst in seiner Limousine sitzen sollte. »Um welche Position bewerben Sie sich denn?«
Prompt ist dieser unmögliche Hassblick zurück, und sie sieht eilig zu Boden. Andrew runzelt die Stirn. Warum kommuniziert sie denn nicht mit ihm?
»Und?«
Kaum ist sie zusammengefahren, bereut er auch schon seinen scharfen Ton. Zumindest bis wieder sein Folterknecht auf ihn einbrüllt.
Norton du Idiot! Das Essen! Alzheimer?
Keineswegs. Doch er kann das Mädchen ja auch nicht einfach stehen lassen, oder? Kaum gedacht fragt er sich einigermaßen ratlos, warum denn nicht?
Eine Antwort will sich nicht einstellen, und deshalb mustert er erneut die Kleine in der Hoffnung auf Erleuchtung.
Nun ja, sie wirkt sehr zart. Ihr dunkles Haar – außerordentlich langes, wie er am Rande registriert – ist im Nacken zusammengebunden, und im Dämmerlicht der weiträumigen Tiefgarage wirkt sie sogar äußerst fragil. Alles in allem kein Grund, weshalb er sich mit ihr beschäftigen sollte.
Und selbst wenn die zukünftige Miss World vor ihm gestanden hätte, wäre es nicht von Interesse gewesen. Andrew Norton pflegt diese Dinge strikt voneinander zu trennen:
Es gibt eine Zeit für die Arbeit – die macht ungefähr neunzig Prozent seines Daseins aus. Und es gibt eine Zeit für die anderen Dinge. Die werden heute Abend aktuell, wenn er in Dallas eintreffen wird ...
Als das Mädchen immer noch keine Anstalten macht, ihm auf vernünftige Art und Weise zu
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