03 - Keiner wie Wir
» Nicht zwei Jahre! Was ist los mit dir? Du wirst froh sein, deine Ruhe zu haben. Denk an all die Freizeit, so ganz ohne mich ... Kein Professor Higgins ...«
»So habe ich das ja noch gar nicht gesehen!«, hauchte sie, von diesen neuen Aussichten ganz überwältigt.
Er hob ihr Kinn und fesselte ihren Blick mit seinem. »Ich liebe dich. Das weißt du?«
Tina nickte mechanisch.
»Gut ...« Dann küsste er sie.
Es war die alte Magie.
Denn selbst heute noch, all diese Jahre später, sorgte er dafür, dass ihre Beine sich auflösten und sie sich in seinen Armen fühlte, als wäre sie noch immer das kleine Mädchen von einst.
Die vielen Reisenden waren plötzlich verschwunden, übrig blieben nur Daniel und Tina. Er umarmte sie so fest, dass jeder Atemzug zu einer Herausforderung wurde, und seine Lippen pressten sich auf ihre, als wollte er sie nie wieder freigeben. Eine sanfte Hand befand sich in ihrem Nacken, direkt am Haaransatz. Atemlos lehnte Tina sich in seine Umarmung, bereit, die Unendlichkeit zu akzeptieren, die seine Lippen versprachen. Irgendein dummer, ewig träumender Teil in ihr wisperte sogar, dass sie dies nur lange genug hinauszögern müsse und die bevorstehende Trennung würde niemals stattfinden.
Leider lag dieser ewig träumende (und ziemlich alberne) Teil falsch. Denn irgendwann verschwand sein Mund und zeitgleich er selbst. Tina, plötzlich ihrer Stütze beraubt, schwankte ein wenig und riss die Augen auf. Daniel trat einen weiteren Schritt zurück und nickte lächelnd. »Bis morgen Abend ...«
Ohne auf eine Antwort zu warten, wandte er sich ab und begab sich zum Abfertigungsschalter.
* * *
T ina wusste nicht, ob sie gehen oder bleiben sollte.
Seltsam, im denkbar unpassendsten Moment fiel ihr ein, wie die anderen es hielten, wenn sie damals zum Zug gebracht wurde. Ihr Dad war sofort gegangen, Daniel auch. Nachdem beide Männer sich vergewissert hatten, dass sie nicht mit einem Vergewaltiger und Serienkiller das Abteil teilte, versteht sich.
Schade, dass sie sich nie kennenlernen durften, Tina war davon überzeugt, dass Daniel Grant und George Hunt sich blendend verstanden hätten.
Nur dieser Scott blieb stehen – und der erwies sich als widerlicher und obendrein untreuer Hund ...
Demnach hieß das wohl gehen.
Als sie jedoch ein letztes Mal zu der großen, aufrechten Gestalt blickte, die alle anderen Wartenden um ein gutes Stück überragte, fiel Tina glücklicherweise ein, dass sie noch nie getan hatte, was andere für richtig hielten.
Und so blieb sie, beobachtete, wie er sich Meter um Meter der Absperrung näherte, und ertappte sich dabei, noch immer nach einer Möglichkeit zu suchen, ihn in der letzten Sekunde aufzuhalten.
… oder eben mitzufliegen. Während ihr anderer, nicht verträumter und logischer Teil anhaltend wisperte, dass sie sich total dämlich aufführte. Na, und? Es hörte ja niemand!
Bald stellte sich heraus, dass ihre Eingebung, nicht zu gehen, eine gute gewesen war. Daniel schien mit nichts anderem gerechnet zu haben, denn erst, als er die erste Sicherheitsschranke bereits passiert hatte, sah er sich ein letztes Mal zu ihr um.
»Hey, Hunt!«
»Was ist denn noch, Grant?«
Grinsend fingerte er in der Brusttasche seines Parkas und zog kurz darauf ein kleines, silbern eingeschlagenes Päckchen hervor. »Fang!«
Und Tina fing, mit einer lässigen Hand, die Zeiten hatten sich eben tatsächlich geändert.
Daniel grinste ein letztes Mal und war endgültig verschwunden.
* * *
s war ein simpler MP3-Player.
Auf der Fahrt nach Hause lauschte Tina den darauf befindlichen Liedern.
Es waren nur zwei.
Daniel besaß ein verdammt gutes Gedächtnis, denn eines war jener Song, zu dem sie vor Ewigkeiten in Ithaka zum ersten Mal küssten, bevor sie ein letztes Mal gemeinsam in ihr Appartement gefahren waren. Es fühlte sich tatsächlich an, als wäre dies in einem anderen Leben geschehen.
Bei dem zweiten Lied handelte es sich um ...
… nun ja, ihres.
Jenen traurig, schönen Song, den Daniel ihr so freimütig geschenkt hatte. Grinsend fragte Tina sich, ob die Band auch schon von ihrem Glück wusste. Na, schön, wenn nicht, war das kein großartiges Problem. Die Wahrheit würde auf ewig ihr Geheimnis bleiben.
Mit einem Anflug von Wehmut betrat sie etwas später das leere Appartement.
Noch war er nicht verschwunden, der Duft seines Aftershaves verweilte in der Luft und seine benutzte Kaffeetasse stand im Geschirrspüler.
Ohne darüber nachzudenken, nahm sie das
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