03 - Keiner wie Wir
in ihrem Hotelzimmer saßen und gegenseitig die zahlreichen Stiche mit einem antiseptischen Gel versorgten.
Seit Jahren hatte Tina nicht so häufig und ausgelassen gelacht, und eines Abends, als sie nackt und selig in seinen Armen lag, erkannte sie, dass sie tatsächlich glücklich war. Das verblüffte sie derart, dass sie unvermittelt zu Daniel blickte, der sie schweigend betrachtete. Glücklicherweise erkannte sie vor Herausplatzen mit der Wahnsinnsbotschaft, wie dämlich sich das anhören würde und sie schwieg besser. Vielleicht konnte Daniel ja wirklich ihre Gedanken lesen, denn er streichelte zärtlich ihre Wange, ein schmales Lächeln zierte seinen Mund, während er nickte.
»Ich auch.«
* * *
D ie Zeit verging wie im Flug.
Am letzten Tag ihres Urlaubes fragten die beiden sich ratlos, wo die vergangenen vierzehn Tage geblieben waren. Wie üblich fiel der Abschied von Tinas Mutter tränenreich und unangenehm aus. Vera umarmte Daniel, als rechne sie nicht damit, ihn noch einmal lebend wiederzusehen. Er ließ diese peinliche Liebesbekundung erstaunlich gelassen über sich ergehen.
»Du kennst meine Eltern, ja?«, lautete seine Erklärung, nachdem Tina ihn, immer noch ungläubig, im Flugzeug darauf angesprochen hatte. Während sie aus dem Fenster blickte und diesmal dem sonnigen Miami ein stummes Adieu zukommen ließ, überlegte sie ...
Nun ja, bei Jonathan und Edith handelte es sich schon um ... äußerst besorgte Eltern. Wenn auch von völlig anderer Mentalität als Vera, nahmen sie sich in der Basis wohl nicht sehr viel. »Ich schätze, ich verstehe, worauf du hinauswillst«, nickte sie.
Daniels Lächeln fiel etwas gequält aus. »Wenn du meine Eltern überlebt hast, nimmst du es auch mit fünf Veras auf, vertrau mir.«
Tina dachte an die Eigenheiten ihrer Mom: Die Tochter von der Highschool abholen, selbst noch als die neunzehn und in der Abschlussklasse war. In jedem Schnupfen gleich eine tödliche Seuche vermuten, jeden Morgen das Haar bürsten, bis zu jenem Zeitpunkt, an dem Tina nach Ithaka ging ... Oh, die Liste ließ sich endlos weiterführen. Und sie bezweifelte ernsthaft, dass Jonathan und Edith Grant sich auch nur annähernd derart grauenhaft aufgeführt hatten.
Doch Daniel hatte nun einmal so empfunden, und das zählte wohl am Ende nur. Deshalb sparte sie sich jeden weiteren Kommentar, froh darüber, das Trauma ihrer Kindheit glücklich und vor allem lebend überwunden zu haben. Auf jede Ausgrabung irgendwelcher peinlichen Erinnerungen konnte auch Tina bestens verzichten.
* * *
E in gefühltes Blinzeln später zeigte der Kalender den 29. Juli.
Was nichts anderes bedeutete, als dass Daniel am darauf folgenden Tag nach Afrika gehen würde. Heimlich amüsierte Tina sich darüber, wie sehr ihr das zusetzte. Wenn man bedachte, dass sie die vergangenen Jahre allein zugebracht hatte, entwickelte sie sich soeben zu einer verdammt miesen Ausgabe einer hoffnungslosen Klette.
Nun ja, es handelte sich um Daniel, was hatte sie erwartet?
Der Mann brachte es fertig, mit einem Handstreich aus einer gestandenen Geschäftsfrau einen Teenager zu machen, warum sollte er nicht auch dafür sorgen, dass sie plötzlich meinte, keinen Tag ohne ihn zu überleben?
* * *
I hre letzte gemeinsame Nacht verbrachten Tina und Daniel mit dem Schmieden von Zukunftsplänen.
»Wir könnten uns ein neues Appartement suchen.«
»Warum, magst du dieses nicht mehr?«
»Schon«, seufzte Daniel. »Aber ich kaufte es als Junggeselle. Für eine Familie dürfte es etwas eng werden, oder?«
Stirnrunzelnd überdachte Tina dieses Argument. »Nein, eigentlich nicht. Wenn man aus deinem Zimmer ein Kinderzimmer und wir in meinem ein größeres Bett ...«
»Hey, weshalb muss denn unbedingt mein Zimmer dran glauben? Deines wäre genauso gut geeignet ...«
Ermattet ließ Tina sich in ihr Kissen fallen. »Ich wusste, dass du noch nicht reif für ein Kind bist! Verflucht!«
»Was soll das denn jetzt heißen?«
Sie hob den berühmt-berüchtigten belehrenden Finger. »Das heißt – Daniel – dass man nun einmal ein wenig von seinem Egoismus lassen muss, wenn sich Nachwuchs ankündigt. Was gleichzeitig auch die erforderliche Reife ausmacht ... Nun gut ...« Tief seufzte sie auf. »Sehr überrascht bin ich nicht, dass du diesbezüglich noch erhebliche Defizite aufweist.«
Für eine lange Weile herrschte Schweigen, doch dann tauchte seine dunkle Gestalt über ihr auf. »Okay ...«, sagte er leise. »Wenn ich zurück bin, können wir
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