03 Nightfall - Zeiten der Finsternis
eine Vampirkrankheit oder was?«
»Ich weiß nicht, was los ist«, antwortete Heather und kroch zu Von zurück. »Ich wünschte, ich wüsste es. Kannst du weiterfahren? Wir erregen nur unnötige Aufmerksamkeit, wenn wir hier zu lange mit angeschalteter Warnblinkanlage auf dem Seitenstreifen stehen.«
»Besser unnötige Aufmerksamkeit als keine«, meinte Annie. »Klar kann ich weiterfahren.« Sie kroch wieder nach vorn und glitt zwischen den Rollos hindurch. Einen Augenblick lang war erneut ein Lichtstreifen zu sehen, der in den hinteren Teil des Autos fiel.
Heather öffnete die Packung mit den Erfrischungstüchern, holte eines heraus und begann, Vons blutverschmiertes Gesicht zu säubern. Das Blut schien aus der Nase gekommen zu sein. Ihr Puls raste.
Was zum Teufel war hier los?, dachte sie.
Sie drehte Vons Kopf. Blut sammelte sich in seiner Ohrmuschel. Ihr blieb fast das Herz stehen. Genau wie bei Dante, als seine Verbindung zu Lucien abgerissen war. Ihr wurde angst und bange.
Sie drehte sich auf den Knien um und begann, Dantes Schlafsackkapuze zu öffnen. Behutsam schob sie den Stoff von seinem Gesicht. Auch seine Nase blutete. Sie blickte auf die Tränen, die in seinen dunklen, dichten Wimpern hingen.
Eine weitere Erinnerung?
Heather strich sein seidiges Haar zurück und sah in seinen Ohren nach. Kein Blut. Doch sein Körper war überraschend warm. Sie roch verbranntes Laub und dunkle, schwere Erde. Schweiß stand ihr auf der Stirn.
Er war zu heiß. Er brannte innerlich.
Sie öffnete den Reißverschluss seines Schlafsacks und klappte den Stoff zur Seite. Sollte sie ihm sein Shirt ausziehen? Nein, das Öffnen des Schlafsacks war riskant genug, falls auf einmal unerwartet Sonnenlicht in den Wagen fallen sollte.
Sie drehte sich wieder zu Von um und berührte sein Gesicht. Kühl, wie immer, wenn er im Schlaf lag. Sie nahm noch ein Erfrischungstuch aus der Packung und wischte damit behutsam das Blut aus seinen Ohren. Dann tupfte sie weiteres Blut unter seiner Nase fort. Vons Gesichtsausdruck wirkte ausdruckslos und leer – entspannt auf eine Weise, die ungewöhnlich für ihn war.
Das machte ihr Angst. Es erinnerte sie an hirngeschädigte, bewusstlose Verbrechensopfer, wenn sie nach einem Überfall im Krankenhaus lagen. Fast, als wären sie eigentlich gar nicht anwesend.
Hatte ihn jemand im Schlaf angegriffen? Aber wer konnte …
Ihr stockte der Atem. Sie ließ den Lichtstrahl der Lampe über Dantes Gestalt wandern, bis sie zu seinen Händen kam. Seine Fäuste waren derart fest geballt, dass die Knöchel weiß hervortraten. Ihr Herz schlug noch schneller.
Tränen in den Wimpern. Die Fäuste geballt, kampfbereit.
Genau wie damals, als er Chloe verlor.
Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf – herzzerreißend und grauenhaft.
Dante hatte Von verletzt, und zwar schwer.
Ihr fiel ihr Traum mit ihrer Mutter wieder ein, ebenso wie Dantes düstere Erinnerung beziehungsweise sein Alptraum, als sie auf ihn in das flache Grab gefallen war.
Auf ihn gefallen oder auf ihn geworfen. Sie war nicht sicher. Als sie Dante gefragt hatte, schien er verstört und beunruhigt zu sein.
»Vielleicht hat das Morphium meine Schilde geschwächt. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir beide träumten. Aber normal ist das nicht. Es macht mir große Angst. Vielleicht solltest du lieber nicht zu nahe bei mir schlafen, bis ich mich wieder im Griff habe.«
Was war, wenn Von etwas Ähnliches passiert war und es diesmal schieflief?
Sie musste an das denken, was Von gesagt hatte: »Ich mache mir große Sorgen um ihn, Püppchen. Die Bilder, die ich von ihm aufgenommen habe … er wandert ständig zwischen Jetzt und Damals hin und her. Zwar kämpft er hart darum, im Hier und Jetzt zu bleiben, aber …«
Aber … was war, wenn Dante den Kampf verloren hatte und seine Verbindung zu dem Nomad diesen in seine verschobene Realitätswahrnehmung gezogen hatte? Heather dachte an Vons seltsam gelöstes Gesicht. An die Tränen in Dantes dichten Wimpern.
Ihr wurde übel, so dass sie wieder die Augen schließen musste. Bad Seed entriss Dante noch immer alle, die ihm etwas bedeuteten, einen nach dem anderen, fand noch immer Möglichkeiten, ihn dazu zu bringen, selbst für seine Verluste verantwortlich zu sein.
»Ich glaube, dass er nicht mehr ertragen kann, Püppchen. Weder psychisch noch mental.«
Von zu verlieren würde Dante wahrscheinlich den Rest geben und ihn über die Klippe stoßen.
Sie weigerte sich, Dante zu verlieren, ihn ihr
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