03 Nightfall - Zeiten der Finsternis
Feuchtigkeit sind. Sie bewegt eine Hand, die in ein Nichts rutscht. Eilig reißt sie die Hand zurück. Ein rascher Blick zeigt ihr das flache Grab, in das sie schon zuvor gefallen war. Nun ist es leer.
Sie riecht Schlick, Sumpfwasser und den kupferartigen Duft von Blut. Viel Blut.
Ein Orkan aus Tönen braust in ihren Ohren. Er saugt sie mit seinen leisen Stimmen, seinen laut surrenden Wespen und dem hypnotischen Rauschen von Blut in Adern und schlagenden Herzen ein und zerrt gnadenlos an ihrem Bewusstsein. Sie kann sich nicht sammeln.
Verdammter kleiner Psychopath.
Dante-Engel, Papa Prejean hat die Vorhänge abgenommen. Wach auf!
Willesbrauchestuestöteeswillesbrauches …
Heather drückt die Hände auf die Ohren, aber das Stimmengewirr und der Lärm rollen wie ein Güterzug durch sie hindurch. Sie halten keinen Augenblick lang inne, sondern zerschmettern ihre Konzentration in winzige, wirbelnde Teilchen, die sie nicht festhalten kann – von einem Zusammensetzen des Puzzles ganz zu schweigen.
Gut, dass er gefesselt ist … Scheiße! Was schreit er denn so?
Er stellt eine sehr laute, sehr eindeutige Forderung.
Tötet mich.
Wie fühlt sich das an, Marmot ?
Heathers Herz rast in ihrer Brust, und ihr Mund wird trocken. Sie ist aus einem bestimmten Grund hier, an diesem Ort aus Gräbern und donnerndem Getöse. Doch der Grund will ihr nicht einfallen. Ein stetiger, hämmernder Ton vibriert durch Erde und Gras bis in Heathers Knie empor. Sie sieht sich nach der Quelle um.
Ein schwarzhaariger Teenager in schlammigen Jeans und T-Shirt schlägt mit einer Schaufel auf einen Körper ein, der halb verborgen im Gras liegt. Immer wieder schlägt er zu. Blut spritzt mit jedem Hieb in die Luft. Die Muskeln seiner Schultern, seiner Arme und seines Rückens spannen sich unter seinem T-Shirt an, während er alle Kraft in den Schwung des schimmernden Schaufelblatts legt.
Der Körper zuckt und krümmt sich. Wird zerquetscht.
Heather starrt auf die Szene vor ihren Augen. In ihrem Magen breitet sich Übelkeit aus, und sie ertappt sich dabei, wie sie mit der Hand nach hinten an ihren Hosenbund tastet. Sie hält inne und fragt sich, was sie sucht. Sie ist nicht sicher, aber ihre Hand weiß es, weshalb sie ihr keinen Einhalt gebietet.
Ihre Finger umschließen den glatten Griff einer Pistole. Ziehen sie. Sie reißt die Waffe hoch und richtet sie auf den Teenager, der Hau den Lukas mit dem Körper am Boden spielt.
Mondlicht dringt bleich durch das dichte Dach der Zypressen und Eichen, fällt auf das blutbefleckte Gesicht und die schmutzigen Arme des Jungen. Seine Hände krallen sich um den Stiel der Schaufel. Er hebt sie erneut.
»Keine Bewegung«, ruft Heather. »Leg die Schaufel ganz langsam auf den Boden, und dann geh mit erhobenen Händen einen Schritt zurück.«
Dröhnendes, wütendes Geflüster umgibt sie. Ihr wird schlecht. Sie hält die Pistole mit beiden Händen, um sie nicht loszulassen. Trotzdem zittern ihre Finger.
Ich wusste, du würdest kommen.
Der Arsch glaubt, ich würde alle umbringen, wenn sie in ihren Betten liegen und schlafen.
Würdest du das?
Sie hat dir vertraut, Junge. Ich würde sagen, sie hat es nicht besser verdient.
Der Teenager wirbelt herum.
Heathers Finger rutscht vom Abzug. Sie kennt dieses schöne, bleiche Gesicht. Sie hat schon tief in diese dunkelbraunen, jetzt von roten Schlieren durchzogenen Augen gesehen, diese wunderbar geschwungenen Lippen geküsst.
Amaretto. Seine fieberhaften Küsse schmecken wie Amaretto.
Dunkles Licht knistert um den Teenager, ein bläulicher Dunst umgibt ihn wie eine Aura, und sein Bild flackert. Es verwandelt sich in den Mann, der er einmal sein wird, der er ist. Nun trägt er eine Lederhose, ein Latexshirt mit Stahlschnallen und einen Reif um den Hals. Nun erkennt man noch deutlicher seine Grazie, seine Kraft und seine mondlichtblasse Haut.
Ein Flackern: Er verwandelt sich in den Mann, der er einmal sein wird. Glatte schwarze Flügel ragen hinter seinem Rücken in den Himmel. Ihre Unterseiten sind von einem strahlend blauen und amethystfarbenen Flammenmuster überzogen. Blaues Feuer knistert um seine geballten Fäuste. Seine Schenkel in der Lederhose flimmern ebenso wie das eng anliegende schwarze Latex-Stahl-Netzhemd. Ein Reif aus geflochtenem schwarzen Metall liegt um seinen Hals. Daran hängt eine Leine aus silbernen Kettengliedern, die an einem Ende in einen Metallring gehakt ist und deren anderes Ende über seine Brust und Bauchmuskeln in der rechten
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