03 Nightfall - Zeiten der Finsternis
Hand, vollkommen vergessen.
»Heather«, flüstert er heiser. Er fällt auf die Knie und nimmt sie in die Arme.
Endlich hat auch sein Name zu ihr gefunden. »Baptiste«, haucht sie.
Alles hält inne. Verstummt.
Das flackernde Feuer in ihrem Inneren erlischt. Die Schmerzen verschwinden, als hätte es sie nie gegeben. Dante flackert auf und legt sich über das Bild des Teenagers. Im Hier und Jetzt.
Der dröhnende Tornado aus Lärm saugt Cecil Prejean und Robert Wells auf, dann dreht er sich um seine eigene Achse und verschwindet mit einem leisen Ploppen.
Ein schillerndes Licht erstrahlt, umschließt sie – glänzend und still.
Verbindet sie.
Wespen fallen aus Dantes Haar, unter seinen Fingernägeln hervor, von seinen Armen. Ihre metallischen Körper fallen ins Gras.
Dante drückt Heather an sich. Er hält sie so fest, als wollte er sie nie mehr loslassen. »Was tust du hier?«
Heather schmiegt ihr Gesicht an Dantes heißen Hals, schlingt die Arme um ihn. Ihr Herz schlägt in einem regelmäßigen, tiefen Rhythmus. »Ich habe mich in deinem Kopf verloren«, gibt sie zu.
Dante sagt nichts, sondern küsst sie auf die Stirn, die Lider, den Mund. Seine Lippen fühlen sich warm an und schmecken süß wie Amaretto. Schläfrigkeit überkommt sie, warm und gemütlich wie ein vertrautes Bett.
»Rêves doux, catin«, wispert er. Sein Duft nach brennendem Laub und Kälte umhüllt sie wie eine Decke. Er lässt sie sanft in das feuchte Gras unter der Trauerweide sinken.
Heather rollt sich seitlich zusammen, die Hände unter die Wange geschoben. Sie beobachtet Dante durch ihre Wimpern, als er zu Von geht. Eigentlich würde sie ihm gerne helfen, aber sie kann nicht länger wachbleiben. Das Bedürfnis nach Schlaf ist zu groß.
Dante setzt sich hinter den Nomad ins Gras und nimmt Vons Kopf auf seinen Schoß. In seinem Antlitz spiegelt sich tiefe Seelennot, während sein Körper Unerschrockenheit ausstrahlt.
»Etwas Ausgesprochenes oder etwas, was man sich ganz stark wünscht, nimmt im Herzen Gestalt an«, sagte er leise und sanft, »wird irgendwie greifbar und real.« Er führt sein Handgelenk zum Mund, beißt hinein und trinkt sein eigenes Blut.
Ehe sie der Schlaf ganz erfasst und in ein beruhigendes Dunkel zieht, sieht Heather Dante noch in der schimmernden Luft unter der Trauerweide sitzen. Er streicht sich eine Strähne seines dunklen Haars hinters Ohr und senkt dann das Gesicht zu Von herab, dem er mit seinen blutverschmierten Lippen einen Kuss gibt.
Dann hört sie das Rauschen von Flügeln.
29
EIN SCHMUTZIGER SPIEGEL
Alexandria, Virginia, Hauptquartier der Schattenabteilung · 26. März
Merri holte tief Luft, schlug die Augen auf und sah zu ihrer Verwirrung einen beigefarbenen Teppichboden. Großartig. Wunderbar. Der Schlaf hat mich offensichtlich umkippen lassen, bevor ich es ins Bett geschafft habe. Diese verdammten Wachtabletten.
Sie stand auf und ging ins Schlafzimmer, wobei sie sich auszog. Einen Augenblick lang blieb sie stehen und fasste nach hinten, um ihren BH zu öffnen. Ihr Blick fiel auf ein gelbes Stück Papier, das auf dem Boden vor der Tür lag.
Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Sah aus, als hätte Em ihr eine seiner üblichen Ich-bin-wach-du-nicht -Nachrichten hinterlassen. Das hatte schon Tradition, wenn sie unterwegs waren. Sie nahm den Zettel und drehte ihn um. Tatsächlich – Emmetts unordentliches Gekritzel. Immerhin mit Filzstift.
Hahaha. Wenn du aufwachst, habe ich die Besprechung schon hinter mir und mache es mir in meinem Luxuszimmer bequem. Schnarch nur weiter, du Loserin!
»Der Glückliche«, brummte Merri. Sie zerknüllte die Mitteilung und warf sie in den Papierkorb neben dem Bett. Dann setzte sie sich neben ihren Laptop auf die Matratze. Grüne Lichter blinkten unten am schmalen Rand des Computers. Ein USB -Stick war noch eingesteckt.
Erinnerungen an das, was vor dem Schlaf passiert war, tauchten vor Merris innerem Auge auf. Sie hatte ihre Mère de sang wegen des Stonehenges aus Gefallenen kontaktiert, war in Purcells Büro geschlichen und hatte einige Dateien heruntergeladen.
Sich die Dateien angesehen.
»Lasst mich ihn halten«, schreit Genevieve.
Eisige Wut breitete sich in Merri aus. Sie war so kalt, dass sie fast erwartete, ihren Atem weiß vor ihrem Mund sehen zu können.
Dante Baptiste – nicht Prejean. Den Namen dieses Abschaums, dieses Kinderzuhälters sollte niemand tragen müssen, schon gar kein Blutgeborener.
Ein Blutgeborener, bei der Geburt gestohlen,
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