03 Nightfall - Zeiten der Finsternis
sich richtig zudecken konnte. Sein Atem verlangsamte sich, die Spannung verschwand aus seinem attraktiven Gesicht, und die Sorgenfalten glätteten sich. Er sah friedlich aus.
Heather zog die Decken über sein Gesicht und stellte sicher, dass er und Dante ganz zugedeckt waren. »Schlaft gut«, wisperte sie.
Sie setzte sich auf das andere Bett im Zimmer und schob die Browning unter ihr Kissen. Trotz Vons beruhigender Worte machte sie sich große Sorgen. Was hatten die Lyons in Dante ausgelöst?
Heather fühlte sich ausgebrannt und erschöpft. Sie konnte nicht klar denken. Ständig wiederholte sie innerlich die Worte: FBI , Schattenabteilung, Gefallene, oje oje – wie ein Kinderlied in einer Endlosschleife. Sie war absolut sicher, dass man nach ihnen fahndete – nach Dante wegen des Mordes an Rodriguez und nach ihr, weil sie seine Komplizin war.
Aber Dante war für seine Tat nicht mehr verantwortlich als eine Pistole, die jemand abgefeuert hatte. Er hatte keine Wahl gehabt. Der Mann, der sie geschrieben hatte, hatte seine Programmierung ausgelöst. Dr. Robert Wells und sein kranker Sohn hatten Dante als Waffe benutzt.
Wie konnte sie ihn schützen und vor allem vermeiden, dass man ihn weiter missbrauchte? Die Mauern, die seine vergrabene Vergangenheit umgeben hatten, waren durchbrochen. Wie viel war zu ihm durchgedrungen? Allein die Erinnerung an den Verlust Chloes und seine Beteiligung an ihrem Tod würden genügen, um ihm das Herz zu brechen. Das und Luciens Tod …
Heather tastete nach dem USB -Stick in ihrer Hosentasche. Darauf befand sich alles, was von Dantes Leben bei Bad Seed von dem Moment seiner Geburt an dokumentiert war – von jenem Moment an, als seine Vampirmutter umgebracht wurde.
Heather hatte gehofft, Dante helfen zu können, seine Vergangenheit Stück für Stück zusammenzusetzen, damit er sich der alptraumartigen Hölle, die seine Kindheit gewesen war, nicht allein stellen musste.
Er brauchte Zeit, um sich mit seinem früheren Leben auseinanderzusetzen und damit zurechtzukommen. Zeit für Trauer. Zeit zum Heilen.
Doch nun blieb ihnen keine Zeit mehr.
FBI , Schattenabteilung, Gefallene, oje oje …
»Sie sollten besser auch schlafen, solange Sie können.«
Heather blinzelte und blickte auf. Cortini lehnte noch immer an der Wand. Ihre Körpersprache drückte Entspannung aus, während ihre Augen hellwach waren. Heather zwang sich, die Fäuste zu öffnen, die sie unbemerkt geballt hatte. Sie schüttelte den Kopf. »Ich übernehme die erste Schicht.«
»Die zweite wäre besser«, antwortete Cortini. »Sie sind am Ende.« Sie sah zu Dantes zugedeckter Gestalt hinüber. »Ich werde niemanden in seine oder Ihre Nähe lassen.«
»Wie …« Heather konnte ihre Frage nicht mehr stellen, da in diesem Augenblick der Lüfter im Bad ausging und gleich darauf die Badezimmertür aufflog.
Annie trat in einer blaukarierten Pyjamahose und einem ausgewaschenen dunklen Danzig-Totenkopf-Shirt heraus, ein weißes Handtuch um den Kopf.
»Wir brauchen mehr Klamotten und Zeug«, sagte sie und ging schnurstracks auf den Sessel zu, »und ich brauche Schuhe, da ich meine Docs bei …« Sie winkte in Richtung Fenster, um anzudeuten, dass sie sie irgendwo da draußen verloren hatte. Dann ließ sie sich in den Sessel fallen. Das Plastik knirschte unter ihrem geringen Gewicht.
»Sie hat Recht«, meinte Cortini. »Wenn alle wieder wach sind, sollten Sie das als Erstes erledigen. Sie müssen außerdem unbedingt Ihr Auto loswerden und sich ein neues besorgen.«
Heather musterte Cortini einen Augenblick lang und überlegte, warum sie »Sie« und nicht »wir« gesagt hatte. Die Auftragskillerin wandte den Blick nicht ab. Ihre Miene war undurchdringlich.
Obwohl ihr der Gedanke missfiel, ihren Trans Am aufgeben zu müssen, wusste sie, dass Cortini Recht hatte. Sie nickte seufzend. »Wir können nicht riskieren, einen Wagen zu mieten. Höchstwahrscheinlich werden die Bewegungen auf meinen Konten und meiner Kreditkarte überwacht. Wie sieht es mit Ihnen aus?«
»Ich bezweifle, dass man mich beobachtet«, antwortete Cor tini. »Jedenfalls noch nicht. Aber wenn meine Vorgesetzten bis heute Abend nichts gehört haben, wird sich das ändern.«
»Wie sehen Ihre Pläne aus?«, fragte Heather. Sie schob eine Hand unters Kissen. Die Bettwäsche fühlte sich angenehm kühl an. »Ich habe das Gefühl, als hätten Sie nicht vor, mit uns weiterzureisen.«
Ein schwaches Lächeln zeigte sich auf Cortinis Miene. »Ich habe vor, zur
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