03 Nightfall - Zeiten der Finsternis
himmelblauen Fliesen und die Chromarmaturen waren feucht überzogen – die Überreste von Annies ausführlicher Dusche. Es roch noch nach Kokos-Shampoo. »Aber was ist, wenn sie Recht hat?«
Heather befeuchtete einen Waschlappen und wrang ihn aus. Dann kehrte sie zum Bett zurück, wo sie sich wieder neben Dante setzte. Sie wischte ihm das Blut weg, das ihm aus der Nase gelaufen war, wobei sie hoffte, dass das kühle Tuch auch ein wenig gegen sein Fieber helfen würde.
Seine Miene wirkte im Gegensatz zu Vons nicht im Geringsten friedlich. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen.
»Sie kann nicht Recht haben. Das geht nicht. Das wäre …« Annie brach ab. »Ich muss dringend was rauchen.«
Heather legte ihre Hand auf Dantes Herz, um sein kleines Fledermaus-Tattoo zu bedecken und seine heiße Haut zu spüren.
Sie erinnerte sich an Vons Worte, die ihn bereits zwei Abende zuvor erschüttert hatten: Er ist die unendliche Straße.
»Was ist er dann?«, wollte Annie wissen. Ihre Stimme klang kaum lauter als ein heiseres Flüstern. »Ist er ein Psychopath oder ein verdammter Gott? Mann …« Sie lachte. »Vielleicht ist da nicht mal ein Unterschied.«
»Ich weiß, dass er nicht das ist, wozu ihn Bad Seed machen wollte«, antwortete Heather und richtete sich auf. »Er blieb sich treu.« Wenn auch zu einem hohen Preis – möglicherweise war er für immer zerstört.
»Aber du hast gesehen, was er getan hat – mit seinen Häschern und den … den Engeln.«
Heather bezweifelte, dass das Ding, in das Dante die Zwillinge und ihren Vater verwandelt hatte, eine bewusste Entscheidung gewesen war. Er war von Drogen und Medikamenten benebelt und voll quälender Schmerzen gewesen. Seine Kraft war düsterer Verzweiflung entsprungen. Dennoch verursachte ihr die Erinnerung daran noch immer leichte Übelkeit. Das Ganze war allerdings auch erst etwa eine Stunde her.
Athenas Leib vermengt sich wie heißes Karamell mit der sich drehenden, dehnenden Gestalt ihres Bruders. Wells vermischt sich mit seinen Kindern, wirbelt um sie herum, in sie hinein, als sei seine Haut völlig elastisch.
Sie erheben sich in die Luft, wo sie sich wie ein dreigesichtiges Säulenwesen im kühlen blauen Licht drehen. Arme und Beine verwandeln sich in gefiederte Schwänze. Die Augen der dreieinigen Kreatur und ihre Münder öffnen sich und intonieren im Chor: »Dreiineinemdreiineinem …«
»Bist du absolut sicher, dass er kein Psychopath ist?«, fragte Annie.
»Wenn Bad Seed erfolgreich gewesen wäre, dann hätte mir Dante nie das Leben gerettet und sich auch genauso wenig für dich geopfert.«
»Wie kannst du dir da sicher sein? Nach allem, was er getan hat?«
»Weil er ein gutes Herz hat.«
»Dann vertraust du ihm?«, wollte Annie wissen.
»Ich würde ihm mein Leben anvertrauen.«
Annie seufzte. Sie zog das Handtuch vom Kopf und knüllte es in ihren Schoß. Dann fuhr sie sich mit den Fingern durchs blau-violett-schwarze Haar. »Ich bin nicht wie du. Ich glaube, ich schaffe das nicht. Ich mochte ihn, bis …« Sie zeigte Richtung Fenster. »Bis all das passiert ist, und ich weiß, der einzige Grund, warum man ihn so missbraucht und gefoltert hat, war ich. Ich weiß, er hat dir das Leben gerettet, nachdem man dich in Washington niedergeschossen hatte. Aber trotzdem jagt er mir wahnsinnige Angst ein.«
Heather stand auf und ging zum Sessel. Sie setzte sich auf die Armlehne und zog Annie an sich.
»Schon gut. Ich mache dir keine Vorwürfe. Die meisten Leute wären schon lang schreiend davongelaufen. Du bist zurückgekommen. Danke.«
»Gern geschehen«, flüsterte Annie und drückte sich an sie. Ihr Atem strich warm über Heathers Hals. Dann fröstelte sie. »Igitt! Du bist ja ganz nass.« Sie löste sich aus der Umarmung. »Ist dir nicht kalt? In meiner Tasche ist noch ein Schlafanzug.«
Die Tür ging knarrend auf. Licht fiel ins Zimmer. Kalte Luft, die nach Kiefern und nassem Asphalt roch, drang herein. Heather wirbelte herum, warf sich über Vons Körper und riss die Decken hoch, um Dante zu beschützen.
Cortini glitt ins Zimmer und schloss lautlos die Tür. Sie verriegelte sie und legte die Kette vor. Heather atmete erleichtert auf und küsste Dante auf die heißen Lippen. Sanft deckte sie sein Gesicht zu und schob eine Haarsträhne unter die Decke. Dann stand sie auf.
»Das Auto ist umgeparkt«, verkündete Cortini. Sie warf Heather die Schlüssel zu.
»Danke«, sagte diese und schob den Bund wieder in ihre Hosentasche, um dann ins Bad
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