03 Nightfall - Zeiten der Finsternis
gehorchen lernen, wenn du immer den Gürtel für sie abbekommst?« Er schüttelt den Kopf. »Außerdem wollen wir nicht, dass du Striemen hast, ehe die Kunden kommen. Geh in den Keller, petit . Wenn du fertig bist, kriegst du was mit dem Gürtel, weil du so gottverdammt scharf darauf bist.«
»Nein!«, ruft Chloe. »Es war nicht seine Schuld.«
»Still, Prinzessin. Ist schon gut.«
Wieder funkeln Papa Prejeans Augen amüsiert. »Ach … ist das nicht reizend? Wie ihr euch gegenseitig vor dem schützen wollt, was sowieso kommt.«
»Schick die petite marmaille hier rein, Papa!«, ruft Mama Prejean aus dem Wohnzimmer. »Ich will, dass dieser Raum gesaugt wird, und zwar toute de suite . Du kannst ihren faulen Hintern später verprügeln.«
»Sieht so aus, als hättest du nochmal Galgenfrist bekommen«, meint Papa Prejean und weist mit dem Kinn auf Chloe. »Tu, was Mama sagt. Ich kümmere mich später um dich.« Sein Blick wandert zu Dante. »Um dich auch.«
Dantes Herz ist wie erstarrt. Er hat das unangenehme Gefühl, dass Papa Prejean wieder nach oben gehen und Chloe schlagen wird, sobald er Dante unten an das Bett im Keller gefesselt hat. Er will sie verprügeln, während Dante festsitzt und nichts tun kann außer zuhören. Das wird seine Strafe sein.
Er wirbelt herum, packt Chloe am Oberarm und bewegt sich. Sie schreit überrascht auf. Papa Prejean brüllt und tobt, als er und Chloe den Flur hinunter in die hell erleuchtete Küche eilen – vorbei an der überraschten Mama Prejean hinaus in die dunkle Nacht. Hinter ihnen schlägt geräuschvoll die Fliegengittertür zu.
»Wir fliegen!«, japst Chloe. »Du bist wirklich ein Engel!«
»Ich bin kein Engel, und fliegen tun wir auch nicht.« Doch die Häuser rasen wie verschwommene Farbkleckse an ihnen vorbei, während Dante die enge Catherine Street hinunterläuft, von seiner Schnelligkeit selbst überrascht.
»Wohin laufen wir, Dante-Engel?«
»Keine Ahnung«, antwortet er. Die kühle Nacht fühlt sich auf seinem Gesicht gut an. Es riecht nach feuchtem Asphalt, gekochten Krebsen und regenschweren Rosen. Er biegt in die Johnston ab und saust zur Lewis. Sein Herz rast, und heftiger Hunger verkrampft ihm den Magen. Er hält Chloe noch fester am Arm.
»Laufen wir weg?«
»Vielleicht.« Er wollte Chloe nur aus Papa Prejeans Reichweite bringen und hat jetzt keine Ahnung, wohin sie eigentlich unterwegs sind.
Während Autos auf der regennassen Straße an ihnen vorbeifahren und die Scheinwerfer wie Sterne den Himmel erhellen, bewegt sich Dante über die Straße zum Girard Park. Dort wird er langsamer und lässt seine Hand von Chloes Arm zu ihren Fingern wandern, zwischen die er nun die seinen schiebt.
Sie sieht zu ihm auf. Ihr langes rotes Haar ist vom Wind zerzaust. Sie lacht, und dieser Anblick gibt ihm neuen Mut. Ihr Lachen steigt in ihm auf, als hätte es Flügel.
»Wo werden wir wohnen?«, fragt Chloe.
»Keine Ahnung. Vielleicht finden wir ein leeres Haus und können da einziehen«, entgegnet er. Er führt sie an den Schaukeln vorbei zu den Nadelbäumen und den kahlen Ulmen hinüber. Unter ihren Schuhen knirscht das Laub. »Hier können wir nicht bleiben. Da findet er uns.«
Chloe drückt Dantes Hand. Sie bleibt stehen und zwingt auch ihn anzuhalten. Sie sieht ihn an. Ihre Augen leuchten. Es ist mehr als nur Sternenlicht, das sich in ihnen zeigt. »Papa wird dich töten«, wispert sie.
Dante zieht sie an sich und schlingt die Arme um sie. Er hört das Rasen ihres Herzens, das sich mit seinem eigenen ruhigen Puls vermischt. Sie duftet nach Erdbeeren, Seife und Furcht.
»Psst«, wispert er und presst sein Gesicht in ihr Haar. »Er wird uns nicht fangen. Ich passe schon auf. Wir gehen hier weg, nach New Orleans. Irgendwohin, nur weg.«
»Versprochen?« Chloes Stimme ist leise, da sie das Gesicht in seinen Pulli drückt. Sie klingt, als würde sie jeden Augenblick aufschluchzen.
Dante lässt sich in dem nassen Gras auf ein Knie nieder. Sanft wischt er Chloes Tränen mit dem Daumen ab. »Versprochen. Nur du und ich, Prinzessin. Für immer und ewig.«
»Für immer und ewig«, wiederholt sie. Sie sieht ihn mit ihren himmelblauen Augen ernst an. »Orem auch?« Aufgeregt schaut sie ihren Orca an, den sie gegen Winnie drückt.
Sie ist mit einem Schlag wieder acht Jahre alt.
Dante lacht. »Oui, naturellement.«
»Gut.« Chloe zögert. Dann sagt sie: »Aber was wird aus Mark und Tami und Perry und Jeanette? Mama und Papa sind auch böse zu ihnen und …«
Dante
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