03 - Sarggeflüster
erstklassig bin. „Nicht ein einziges stinkendes, lästiges, freches Exemplar.“
„Das ist aber schade. Da verpasst du wirklich was. Wer Tiere hat, fühlt sich nie mehr einsam. Vorausgesetzt natürlich, dass man ihnen mit einer von diesen Sprühflaschen beibringt, nicht auf die Möbel zu springen. Ich verpasse Mindy nur einen kleinen Spritzer auf die Nase, wenn sie irgendwas tut, was sie nicht tun soll, und schon ist sie brav. Oh, und man muss selbstverständlich jeden Tag das Katzenklo saubermachen. Und man sollte die Kiste nicht zu nahe beim Telefon aufstellen. Also, erst gestern bin ich gestolpert, als ich so einen dämlichen Werbe-Anruf annehmen wollte, und bin mit dem Gesicht zuerst im -“
„Kann mir nicht passieren“, unterbrach ich sie. „Ausgeschlossen. Keine Katzen, weißt du noch?“ Ich tat so, als ob mir ein Schauer über den Rücken liefe. „Schon bei dem Gedanken kriege ich eine Gänsehaut. Hör mal“, fuhr ich eilig fort, fest entschlossen, das Thema zu wechseln. „Ich rufe an, weil du in deinem Profil erwähnt hast, dass du gerne nähst.“
„Das stimmt. Sag bloß nicht, du hast jemanden gefunden, der auch gerne näht. Weil ich nämlich gerade an einem ganz fantastischen Quilt arbeite, und es wäre so klasse, wenn mir noch jemand dabei helfen würde -“
„Nein, leider keine Quilter weit und breit.“ Ich wollte nicht einmal darüber nachdenken, wie ein gewandelter Vampir aussehen mochte, der sich für Quilts interessierte. „Ich rufe auch gar nicht wegen eines Dates an, sondern um dich um einen Gefallen zu bitten. Weißt du, ich habe da ein Brautkleid, das ein paar Änderungen nötig hat. Es soll für die Verlobte meines Bruders sein - und so, wie es jetzt aussieht, passt es einfach nicht. Ich dachte, wenn wir jemanden finden, der mit Nadel und Faden umgehen kann, dann könnte der es vielleicht für uns ändern.“
„Ahm. Ja.“ Sie klang genauso bedrückt, wie ich mich plötzlich fühlte. „Ich habe früher alle meine Kleider und so ... selbst genäht“, Esther war in einer Zeit aufgewachsen, in der es noch keine Kaufhäuser gab, „aber die sahen nun wirklich überhaupt nicht so aus wie die Sachen, die es heute zu kaufen gibt.
Und dann ein richtiges Brautkleid... Ich wollte mich schon immer mal daran versuchen, aber ich hatte nie die Gelegenheit.“ Ihre Stimme endete auf einer melancholischen Note, die mich dazu brachte zu glauben, ich wäre die schlechteste Partnervermittlerin in ganz Manhattan.
Ich konnte nicht mal jemanden für die arme, einsame Esther finden.
Ich war ein Versager. Ich war noch schlimmer als ein Versager. Ich war ein hilfsbedürftiger Versager, der gerade versuchte, einen armen, einsamen, verzweifelten Vampir dazu zu bringen, ihm einen Gefallen zu tun.
Jetzt ist aber Schluss mit diesem verdammten Selbstmitleid. Schließlich hat es ja wohl keinen Sinn, wenn wir beide am Boden zerstört sind. Mach einfach weiter. Du kannst dich ja später dafür bei ihr revanchieren.
Ich riss mich zusammen und fuhr entschlossen fort: „Du könntest es ja als Übung für das eigentliche Ereignis ansehen, das mit Gewissheit in absehbarer Zeit eintreten wird.“
„Wirklich?“
Ja Die Lüge lag mir schon auf der Zunge, aber aus irgendeinem Grunde wollte sie mir nicht über die Lippen kommen. „Ich habe zwar noch keine potenziellen Kandidaten“, hörte ich mich selber sagen - hey, mit Schuldgefühlen kam ich genauso wenig klar wie mit Mord und Totschlag und Polyester - „aber sobald ich die Vorbereitungen für die Hochzeit meines Bruders hinter mir habe und ein paar andere dringende Probleme, mit denen ich mich im Augenblick rumschlage, werde ich jemanden für dich finden. Das schwöre ich. Ich werde jedes Stammlokal und jeden Treff für gewandelte Vampire in Manhattan absuchen. Und in Queens. Und in Brooklyn. Und außerdem werde ich mich sogar auf den Weg nach “, ich schluckte, „Long Island machen.“
„Das glaub ich jetzt nicht. Das würdest du für mich tun?“
„Wenn du mir diesen einen Gefallen tust. Bitte, Esther, ich brauche wirklich deine Hilfe.“
„Ich meine, ich kann's ja mal versuchen. Ich muss hier irgendwo noch meine Nähmaschine haben. Aber erwarte bitte nicht zu viel, okay?“
„Glaub mir, nichts könnte schlimmer sein als das, was wir jetzt haben.“
Wörtlich genommen.
Mandy hatte Shirley angerufen und das am wenigsten scheußliche Kleid ausgewählt, doch selbst dies verfügte immer noch über meterweise kratzigen Tüll. Und riesige
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