03 - Schatten Krieger
Schlachtmesser?« Er hob den Dolch. »Es wäre nett, wenn es aus Silber wäre und mit Juwelen besetzt … Oder wenn ich prächtige Kleidung hätte …«
»Diese Art von Zauberei beherrsche ich nicht.«
Er wurde wütend. »Sie wollten Euch nicht gehen lassen, das habe ich mitgekriegt. Das Ding bleibt an Euch, und wenn die Truppen des Kaisers Euch aufgreifen, seid Ihr so hilflos wie ein Lamm. Wenn Ihr mir versprecht, dass Ihr Euch erkenntlich zeigt, zerschneide ich es …«
Es knackte leise, und als Ayoni sich beim Rudern vorbeugte, zerbrach das glitzernde Netz an ihrer Taille, glitt in ihren Schoß und weiter auf den Boden des Bootes. Sofort drang eine Vielzahl von Empfindungen auf sie ein, als sie sich mit der Niederen Macht verband. Sie erlaubte sich einen kurzen Moment der Genugtuung, weil sich das Verhalten des Bootsmannes schlagartig änderte. Sie schmeckte fast die Furcht, die ihm aus allen Poren drang. Sie hörte auf zu rudern und hielt ihm die Riemen hin.
»Ihr seid dran, denke ich«, sagte sie fröhlich, während sie den Gedankengesang des Stachels wirkte, der ihre Hand mit einem Netz aus Blitzen überzog.
Als das Boot kurze Zeit später gegen einen schiefen, halb im Wasser versunkenen Holzsteg stieß, zwang sie sich, ruhig zu bleiben, stand auf und trat auf das glitschige Holz. Bevor sie ihm auch nur ein höhnisches Lebewohl mit auf den Weg geben konnte, hatte sich der Bootsmann bereits vom Steg abgestoßen und ruderte wie von Geistern getrieben davon. Sie sah ihm einen Moment nach und blickte dann zum gegenüberliegenden Ufer. Dort entfernten sich drei Gestalten vom Steg.
Erneut sank ihr Mut. Sie sah sich um und versuchte sich zu orientieren, während sie die verfallenen Planken zu ein paar Hütten hinaufging, die neben einem leeren Viehpferch standen. Vermutlich gehörten die Stege zu diesem Bauernhof, der jedoch offensichtlich schon lange aufgegeben worden war. Ayoni blickte nach Osten, durch den Dunstschleier über dem Fluss, und machte in etwa einer halben Meile Entfernung eine Gruppe von Gebäuden aus, von denen sich zahlreiche Rauchfahnen in die Luft kräuselten. Das musste die Festlandseite von Belkiol sein. Dieser Teil der Stadt war befestigt, und genau hier wollte der Mogaun Huzur Marag die Armee Ilgarions angreifen.
Aber wie soll ich dafür sorgen, dass unser törichter Kaiser auf seinen Vorschlag eingeht?, dachte sie. Wenn ich versuche, ihn zu überreden, könnte er eine Täuschung oder sogar ein abgekartetes Spiel vermuten, versuche ich, es ihm auszureden, passiert vielleicht dasselbe …
Sie schüttelte den Kopf. Ihr Gemahl und die anderen verließen sich auf sie, also würde sie tun, was getan werden musste. Das bedeutete, sich erst einmal gefangen nehmen zu lassen. Ayoni fielen mehrere Trampelpfade auf, die von dem Steg wegführten. Einer davon führte bergauf, dann über einen Kamm in westliche Richtung, dorthin, wo die Armee des Kaisers lagerte. Ilgarions Kundschafter würden diese Wege gewiss beobachten, also dürfte es nicht allzu schwer sein, ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
Mit schweren Schritten, niedergedrückt von ihrer Verzweiflung, verließ sie das Ufer und trottete bergauf. Es war kühl, aber auch frisch, was Regen verhieß. Aufgetürmte Wolkenberge trieben rasch über den Himmel. Der Pfad wurde von Büschen und kargen Bäumen gesäumt, und gelegentlich hörte sie das Knacken und Zwitschern von Zweigvögeln. Sie konzentrierte sich auf das melodische Pfeifen einer Grünschwinge direkt über ihrem Kopf, als sie plötzlich hinter sich ein sausendes Zischen hörte. Noch während sie herumfuhr, durchzuckte sie eine Ahnung von Gefahr. Dieses Vogelgezwitscher war nur eine Ablenkung gewesen, und sie sollte sich schleunigst ducken …
Das Geschoss traf sie an der Schläfe und explodierte in einer Wolke aus rotem Staub, der in ihre Nase, ihren Mund und ihre Augen drang, bevor sie reagieren konnte. Mit ihrem ersten Atemzug sog sie eine Vielzahl von Geschmäckern ein, die Zunge und Gaumen reizten. Ihr zweiter Atemzug ließ ihr die Aromen zu Kopf steigen, und als sie das dritte Mal Luft holte, verwirrten sich ihre Sinne. Sie schien Geräusche sehen und Farben hören zu können, während ihre Beine unter ihr nachgaben und sie auf den grasbewachsenen Boden sank …
Wie aus weiter Ferne bemerkte sie die Gestalten, die sich um sie versammelten. Eine schien einen anderen wegen einer Fehleinschätzung zu tadeln, und sie registrierte, dass sie in der Sprache der Mogaun redeten. Doch das
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