03 - Schatten Krieger
wurde bedeutungslos, als eine Vielzahl seltsamer Eindrücke ihre Sinne bestürmte. Silberfarbene Stimmen murmelten Warnungen, dann spürte sie ein Schaukeln, als sie in die Nähe der Flussdüfte getragen wurde … grüne und blaue Noten hallten durch ihren Kopf… sie wurde aufgehoben und in eine schattigere Umgebung getragen … vielleicht in ein Gebäude …
Als die Wirkung des Staubes nachließ, überkam sie eine zähe Schläfrigkeit, die alle Gedanken erstickte … Etwas durchdrang ihren Schlummer wie eine Machete ein Dickicht aus Lianen, ein schockierend starker Geruch, der sie schlagartig aufweckte.
»Gut! Ihr habt keinen Schaden genommen! Die Götter scheinen unsere Pläne zu begünstigen.« Ayoni riss die Augen weit auf, setzte sich auf und sah sich um. Sie befand sich in einem kleinen, dämmrigen Raum, in dem Talgkerzen in Nischen an den Wänden flackerten. Ein halbes Dutzend hagerer, alter Mogaun-Schamanen beobachtete sie scharf. Einer von ihnen hielt einen kleinen Lederbeutel in der Hand, der, wie sie vermutete, die Quelle des stechenden Aromas war.
»Fuchsgift?«, fragte sie.
Der Schamane mit dem Beutel nickte kurz. Er war der älteste der sechs Mogaun. Er trug ein schmutziges Tierfell über seinen knochigen, gebeugten Schultern, langes, graues Haar hing von einem hageren Schädel herunter, an dem so wenig Fleisch war, dass seine ruhigen, dunklen Augen das einzig Lebendige an ihm zu sein schienen. Er lächelte humorlos und entblößte dabei klaffende Zahnlücken.
»Eine feine Kur gegen Chimärenpulver, von dem Euch zu viel verabreicht wurde.« Seine Stimme klang heiser und zisehend. »Ich bin Pirak, siebenundzwanzigster Seher der Zehn Familien, und es freut mich nicht gerade, ein Kind der Erde ins achtbare Belkiol geschmuggelt zu haben. Aber während viele andere unserer Seher übergelaufen sind, bindet uns nach wie vor die Pflicht. Diese Missgeburt muss aus unserem Stamm getilgt werden!« Die anderen Seher nickten zustimmend. Ayoni beschlich eine üble Vorahnung.
»Missgeburt?«
»Ihr habt ihn gesehen«, sagte Pirak. »Ihr habt gehört, wie er von den Stimmen in ihm gesprochen hat, hm?« Er nickte rasch, und seine Lippen verzogen sich angewidert. »Ihr habt von ihm gehört«, stellte er fest. »Ihr meint diesen Oberhäuptling, Huzur Marag«, sagte sie. Sie zögerte, mehr zuzugeben.
»Ja, Ihr wisst von ihm«, erklärte Pirak. »Und wir wissen, was getan werden muss …«
Einer der anderen Schamanen unterbrach ihn und deutete auf die andere Seite des Raumes. »Er kommt.« Pirak drehte sich erfreut, wenn auch ein wenig furchtsam um, und die anderen Mogaun bildeten eine Gasse, um einer schlanken, gespenstischen Gestalt Platz zu machen, die zu Ayoni schwebte und sie mit gelassenem Humor betrachtete.
Es war Atroc.
»Als ich Euch das letzte Mal gesehen habe«, sagte sie, »schient Ihr nur noch Futter für die graue Fäulnis zu sein.«
»He, he, man muss erst fangen, was man fressen will!« Er grinste.
»Und zu was wollt Ihr mich machen?«, fragte sie. »Zu einer Art Opfer?«
Er schüttelte den Kopf. »Wir wollen, Gräfin, dass Ihr Huzur Marag umbringt!«
Ayoni atmete tief durch und riss sich zusammen.
»Verzeiht, erlauchter Atroc«, presste sie hervor. »Vielleicht ist Euch entgangen, dass Huzur Marag meinen Ehemann und zwei meiner Freunde als Geiseln hält, damit ich seinen Plänen gehorche …«
»Das weiß ich«, erwiderte Atroc. »Ihnen wird nichts geschehen, das schwöre ich!«
Plötzlich wurde Ayoni wütend. »Warum fällt es mir so schwer, Euch zu vertrauen, Seher? Wer bürgt für Euch, und wieso mischt Ihr Euch in diese Angelegenheit ein?«
Die anderen Schamanen murmelten empört, doch Atroc brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Während des Blutkrieges, den Ihr den Großen Schattenkönig-Krieg nennt, waren viele Krieger der Mogaun von bösen Geistern besessen«, erklärte er grimmig. »Selbst einer der Oberhäuptlinge, mein Gebieter Prinz Yasgur, wurde von dem verderbten Geist seines Vaters Hegroun in Besitz genommen. Aus diesem Grund muss Huzur Marag vernichtet werden, so oder so.«
»Und wer ist Huzur Marag?«, erkundigte sie sich.
Atroc sah Pirak an, der sich kurz sammelte, bevor er antwortete.
»Huzur Marag ist der dritte Sohn von Krahel Einarm, dem Oberhäuptling des Clans der Zehn Familien, und außerdem der Kriegsgeneral des Clans. Vor einigen Tagen hat er in seinem Zelt eine Art Anfall erlitten und fiel in einen unnatürlichen Schlaf. Als er erwachte,
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