03 - Schatten Krieger
Die sechs Wachen jedoch kamen nur wenige Schritte weit, bevor sie allesamt zu Boden sanken. Sie keuchten und kämpften gegen neblige weiße Schlangen, die sich um ihre Hälse wanden. Gleichzeitig flogen ähnliche Erscheinungen von den Händen der drei Seher auf Huzur Marag zu. Als sie sich um den wütenden, brüllenden Oberhäuptling wanden, tauchten die anderen Schamanen hinter den Zelten auf. Sie schrieben unsichtbare Muster in die Luft und schüttelten dann ihre Hände. Neblige Wolken fegten von ihren Fingern durch die Luft, trafen Marag und warfen ihn zu Boden.
Mein Einsatz!, dachte Ayoni. Sie zwängte sich durch den blättrigen Vorhang und lief über den Felsboden. Sie achtete darauf, dass die Zelte zwischen ihr und Huzur ihr Deckung gaben. Einige Augenblicke später stand sie hinter einer Jurte neben dem Kampfplatz, und als sie den Kopf herausstreckte, um zu sehen, was passierte, blickte sie auf die große Gestalt von Huzur Marag, der nur wenige Meter von ihr entfernt mit dem Rücken zu ihr gewandt dastand. Seine Hand glühte in einem grünen Feuer, als er sich die verschwommenen weißen Schlangen von Gesicht, Hals und Brust riss, während er mit der anderen Hand einen von Piraks Kollegen am Hals gepackt hielt. Dessen ausdruckslose, starre Augen und sein schlaffer Körper sprachen eine deutliche Sprache. Als Ayoni in die Niedere Macht eintauchte und aus ihr einen Feuerdolch wirkte, bemerkte Marag ihre Anwesenheit und drehte sich um. Doch schon fuhr ein gezackter, roter Blitz aus ihrer offenen Hand und schlug hoch oben in seine Brust ein. Seine Pelze und sein Haar gingen in Flammen auf, und er heulte vor Schmerz. Er ließ den toten Seher fallen und schlug nach den Flammen, noch während sie unter seine Haut drangen. Das Heulen steigerte sich zu einem schrillen Kreischen, als er stürzte und sich auf dem Boden wand. Pirak stolperte heran. Er hielt einen besonderen Steindolch in der Hand, sank neben dem zuckenden Oberhäuptling auf die Knie und rammte ihm den Dolch in die Brust. Der Schädel des Mannes brannte immer noch, und er stieß ein langes, heiseres Stöhnen aus. Dann sank er leblos zurück. Doch seine Beine zuckten wild umher, und es gelang ihm, mit seinen krampfhaft fuchtelnden Händen Piraks knochigen Arm zu packen. Ayoni wollte ihm helfen, sich zu befreien, doch im nächsten Augenblick erschlaffte Marags Körper. Langsam rappelten sich die anderen wieder hoch. Ayoni überkam das kalte Grausen, als sie den dunklen Rauch sah, der aus dem Mund und den Augen des Toten quoll. Er sammelte sich zu einem langen, wogenden Knoten aus aschfarbenem Dampf. Ein Phantom, ein Fragment des Herrn des Zwielichts.
Noch während es davonschwebte, erschien ein weiteres, danach ein drittes, und Ayoni fragte sich unwillkürlich, wie viele Menschen wohl noch dazu verdammt sein würden, als Wirte für diese widerlichen Relikte des Bösen zu dienen.
»Er hat seine inneren Stimmen erwähnt«, sagte sie, während sie sich abwandte.
»Es sind durstige Gottheiten«, erklärte Pirak. »Sie gieren danach, die Welt zu verzehren, und selbst das wäre nicht genug …«
Einer der Seher schrie angsterfüllt auf, und sie wirbelten herum. Im selben Moment wurde Pirak von dem langen Messer Huzur Marags getroffen, der sich brüllend aufrichtete. Ayoni schrie erschreckt auf, als Pirak mit einem Schrei rücklings zu Boden stürzte. Marags Gesicht war nur noch eine verbrannte, qualmende Fratze, aber er brüllte bestialisch und sprang hoch. Ohne zu zögern griffen Ayoni und die anderen Schamanen ihn mit Magie an, und er sank wieder zurück. Die Klinge fiel ihm aus der Hand, doch der Leichnam zuckte erneut und kam erst dann zur Ruhe, als ein weiteres Phantom aus dem verbrannten Schädel aufstieg. Es schien wegzuschweben, kehrte jedoch im nächsten Moment zu der Leiche zurück und drang in den rußigen, haarlosen Schädel ein. Die Augenlider Marags zuckten, die Lippen teilten sich, und die Brust hob sich in einem tiefen Atemzug … Ayoni griff nach einem Schwert, das auf dem Boden lag, und schlug der Leiche mit aller Kraft den widerlichen Schädel vom Rumpf. Blut sprudelte heraus, und wieder löste sich das graue Phantom von dem leblosen Kopf. Diesmal schoss es über den Bergsattel davon. Ayoni sah ihm einen Moment nach, bevor sie herumwirbelte und sich neben den tödlich verwundeten Pirak kniete.
»Ein mächtiger Schlag, Kind der Erde.« Die Stimme des alten Sehers klang rasselnd. Einer der anderen Schamanen versuchte, die Blutung zu stillen,
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