03 - Schatten Krieger
über die Ursprünge des Nachtreichs wusste oder überhaupt etwas von seiner Geschichte kannte. Der Schattenkönig dachte darüber nach. Wenn es keinen Tod gab, mussten all diese Frauen und Männer, die er hier sah, über dreihundert Jahre alt sein. Konnten sie tatsächlich den Schattenkönig-Krieg und den Triumph des Herrn des Zwielichts über diese Stromwelt der Zeit vergessen haben? Oder war ihre Ahnungslosigkeit das Ergebnis dieser schimmernden Aura, die vom Großen Schatten absichtlich über dieses Reich gesponnen worden war, um ihr Gedächtnis zu löschen? Der Eyrie war ein großer, hässlicher Turm, um den sich ebenso hässliche Gebäude scharten. Die meisten waren teilweise oder vollkommen verfallen. Verschiedene Banden und Kriegshorden hausten in ihren Höhlen in den Nischen und Spalten am Boden oder in unterirdischen Gewölben. Den Rest des Turms kontrollierte eine mächtige Miliz, die sich die
Eisenfäuste
nannte und von einem gewissen Cebroul angeführt wurde. Yanamas Truppe nannte sich
Die Henker.
Ihr Bau lag unter einem der halb zerstörten Gebäude. Man erreichte ihn über einen knarrenden, mit Holz verschalten Tunnel, der sich durch den uralten Schutt wand. Zwei Wachen am Eingang des Gewölbes tasteten sie nach Waffen ab, bevor sie die beiden durchließen. Byrnak trat in die große Kammer und zählte kurz die Anwesenden durch. Es waren neun, einschließlich der Wachen. Auf ihn wirkten sie ziemlich sorglos und nicht sonderlich gefährlich.
»Besucher, hm?«, sagte ein kahlköpfiger Mann, der auf einer Empore am oberen Ende einer baufälligen Treppe saß. Darauf standen eine Pritsche und ein Stuhl. Hinter ihm bedeckten zwei vergammelte Läden ein Fenster. »Bist du geschäftlich oder zum Vergnügen hier?«
Das musste Yanama sein. Byrnak bedeutete Dar zu warten und stieg langsam die Treppe hinauf. »Ich bin dein neuer Rekrut«, erklärte er. Yanama schnaubte. »Ich nehme nur erfahrene Krieger auf, keine Frischlinge. Dafür akzeptiere ich dankend dein Wams, deine Stiefel und alle Waffen, die du besitzt.« »Ich besitze nur meine Fäuste«, erklärte Byrnak, der sich dem obersten Treppenabsatz näherte. »Aber sie gehören dir.«
Als er den Rand erreicht hatte, stürzte er sich auf Yanama, der einen sichelförmigen Dolch gezogen hatte und damit auf Byrnaks Kehle zielte. Der packte den Mann am Handgelenk, drehte sich herum und schleuderte Yanama über seine Schulter auf den Boden. Die Bohlen bebten unter dem Aufprall. Byrnak rammte dem benommenen Anführer der Bande mehrmals seinen Fuß in den Leib, zerrte ihn hoch und schleifte ihn zu den Fensterläden, die er mit einem heftigen Tritt öffnete.
»Komm ja nicht zurück!«, knurrte er, bevor er Yanama mit dem Kopf voran aus dem Fenster warf. Dann wirbelte er herum und empfing die beiden Handlanger Yanamas, die brüllend die Treppe hinaufstürmten. Einer landete rücklings auf dem Boden und schrei vor Schmerz, während der andere seinem Anführer in den dichten Nebel hinaus folgte. Die übrigen sieben schauten sich verblüfft und furchtsam an.
»Ihr habt einen neuen Anführer«, verkündete Byrnak. »Bleibt oder geht!«
Die sieben Kämpfer zögerten nur einen Moment, bevor sie allesamt die Knie beugten und einen Treueschwur murmelten, während Byrnak die Treppe hinabschritt.
»Schön«, meinte er und deutete auf den bewusstlosen Mann auf dem Boden. »Schafft den da weg.« Dar stand neben ihm und lachte leise.
»Sehr überzeugend, mein Herr, und sehr wirkungsvoll. Was ist dein Wille?«
»Wer ist der mächtigste Anführer im Eyrie?«, erkundigte sich Byrnak. »Nach Cebroul von den
Eisenfäusten?«
»Kural von den
Steinwölfen«,
erwiderte Dar. »Er ist ein sehr gefährlicher Mann.«
»Wer sind seine Stellvertreter?«
Dar runzelte die Stirn. »Das weiß ich nicht genau, aber ich kann es sehr leicht herausfinden.« »Tu das und bring in Erfahrung, wer von ihnen Kural am glühendsten hasst.«
Am nächsten Tag trainierte Byrnak die sieben restlichen Henker im Umgang mit Messer und Kampfstab, während Dar unterwegs war, um die gewünschten Informationen zu beschaffen. Er kehrte bald zurück. Kural befehligte drei Hauptleute. Einen von ihnen hatte er vor ein paar Tagen vor der ganzen Rotte gründlich heruntergeputzt. Byrnak richtete es so ein, dass er diesem Hauptmann Domas später am Tag in einem der oberen Säle »zufällig« begegnete. Er stellte sich ruhig vor und rühmte Domas' geschickte Taktik in einem Territorialkampf vor einigen Wochen. Davon
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