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03 - Schatten Krieger

03 - Schatten Krieger

Titel: 03 - Schatten Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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überredet haben musste, die Kleine Krönung jetzt und innerhalb des Palastes durchzuführen, statt am Flussufer, wie es seit jeher Brauch war. Sie wusste, dass dies bei der Bevölkerung beträchtlichen Unmut auslösen würde, doch ebenso klar war ihr, dass der versammelte Hochadel bereit sein würde, diesen Traditionsbruch zu akzeptieren und Ilgarion als Kaiser zu bestätigen.
    Dann erinnerte sie sich an Herzog Byrceyns missliche Lage. Vielleicht ist die Unterwürfigkeit der Aristokratie doch nicht ganz so deutlich ausgeprägt, dachte sie.
    Durch die von den Soldaten gebildete Gasse schritten zwei mit blauen Umhängen verhüllte Gestalten, die je einen langen, von einem Wappen gekrönten Stab in der Rechten und einen mit einem Tuch verhüllten Gegenstand in der Linken trugen. Als sie den Fuß des Podestes erreichten, hatten die anderen Lakaien ihre Bündel ausgepackt und bauten Laternen sowie schlanke Holzrahmen mit zeremoniellen Fahnen neben dem Thron auf, und daneben kleine Tische und Podeste, auf die sie heilige Reliquien und Räucherfässer stellten. Schon bald durchzog ihr würziger Duft die Große Halle, aber nichts konnte verbergen, dass diese überstürzten Vorbereitungen eine schäbige, beschämende Verzerrung der uralten Krönungstraditionen darstellten. Die Ehrwürdigen Hüter hatten ihre Stabbündel zur Seite gelegt und schoben ihre Kapuzen zurück. Darunter kamen die Gesichter zweier älterer Männer zum Vorschein, heilige Brüder des Erden-Mutter Tempels, die von dem Konklave der Stabträger für diese besondere Aufgabe abgestellt worden waren. Jeder hielt nun eine Nachbildung des Mutterkeims und des Kristallauges in Händen, jener uralten Artefakte, die in dem Großen Krieg der Schattenkönige für immer verloren gegangen waren. Das Krönungsritual begann in einer merkwürdigen, bleiernen Stille, die nur von gelegentlichem Hüsteln und dem Rascheln von Seide unterbrochen wurde. Die Priesterin der Erden-Mutter nahm ihren Schleier ab. Es war tatsächlich die Äbtissin. Sie begann ein rituelles Zwiegespräch mit den Ehrwürdigen Hütern, sprach erst den einen, dann den anderen an, während die beiden gemeinsam antworteten. Der Wortwechsel fand in formellem Mantinorisch statt, da die Khatrimantinischen Kaiser ihre Abstammungslinie bis zu den Königen von Mantinor zurückverfolgen konnten. Ayoni hatte noch nie eine Kaiserkrönung miterlebt, aber sie wusste aus den historischen Berichten, dass dies eine absurde Verstümmelung der uralten Zeremonie war, die oft zwei, manchmal sogar drei Tage gedauert hatte.
    Sie hatte von gewaltigen Chören gelesen, die sangen und beteten, dem Läuten von Glocken und dem süßen Klang der gezupften Kulesti. Als jedoch nun die Ehrwürdigen Hüter der Äbtissin die Repliken der Herrschaftsinsignien aushändigten, geschah das mitten in einem gespenstischen Schweigen. Die Mine der Äbtissin wirkte wie versteinert, als sie sich umdrehte und die Stufen des Podestes hinaufschritt, wo Ilgarion auf sie wartete. Sie blieb stehen, starrte zu ihm hoch, rezitierte die Worte der heiligen Weihe und hielt ihm die Artefakte entgegen. Ilgarion verbeugte sich, nahm sie ihr aus der Hand und schritt dann die restlichen Stufen hinauf zum Thron, wobei er zwei Stufen auf einmal nahm. Der Thron war mittlerweile von einem blassen, schimmernden Stoff bedeckt. Ilgarion setzte sich. Zwei Gestalten in weißen Roben tauchten hinter ihm auf. Sie trugen ein Schwert, einen Morgenstern und eine Krone, alle mit dieser schimmernden Gaze umwoben. Das Paar in blassen, juwelenbesetzten Masken repräsentierte die Erden-Mutter und den göttlichen Tauric. Die Verleihung der Herrschaftsinsignien sollte die enge Verbindung zwischen Thron, Land und den unsichtbaren Mächten symbolisieren.
    Doch dieses Schauspiel wirkte leer und bedeutungslos, bar jeder Würde oder Bedeutung.
    Schließlich kam die Weihe zu einem Ende, als die symbolischen Gestalten die Krone auf Ilgarions Kopf setzten und die Schließe unter seinem Kinn befestigten. Als sie sich zurückzogen, stand Ilgarion auf. Er hielt den Streitkolben des Gesetzes in der einen und das Schwert des Staates in der anderen Hand. Zudem war er nun in einen langen Umhang mit Schleppe gehüllt, dessen Außenseite himmelblau leuchtete.
    Jemand vorne in der Menge schrie plötzlich auf. »Der Kaiser ist tot, es lebe Kaiser Ilgarion!« Mehrere Adlige stimmten in den Ruf ein und riefen seinen Namen, doch Ayoni empfand nur tiefste Verachtung für sie. »Ein wahrlich erhebender

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