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03 - Schatten Krieger

03 - Schatten Krieger

Titel: 03 - Schatten Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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gewickelt, den er hinter seinen Sattel geschnallt hatte, und betrachtete seine Gefährten mit einer merkwürdigen Mischung aus Zuneigung und Sorge, die er nur zu gut kannte. In den dreihundert Jahren seines Lebens hatte er viele Freunde im Kampf fallen oder bei Unfällen sterben sehen. Nur selten waren sie friedlich im hohen Alter verschieden. Und seine Sorge um die hier anwesenden Freunde wurde durch die Abwesenheit der anderen noch verstärkt. Dybel, Chellour und die Gräfin Ayoni befanden sich in der Gewalt von Tangaroth und schwebten vermutlich in großer Gefahr durch ihren unbekannten Feind. Dazu kam noch die Nachricht von Coiregs Verschwinden aus der Klause des Friedens in Hekanseh, ganz zu schweigen von Hauptmann Ondenes listiger Flucht.
    Nur ich trage dafür die Verantwortung, dachte Calabos verbittert. Dreihundert Jahre hätten mich alles lehren sollen, was ich über rücksichtlose und teuflische Feinde wissen müsste, und doch hat dieser hier mich wiederholt überrascht.
    Er schnaubte gereizt. Für Selbstmitleid hatte er keine Zeit. Er musste überlegen, wie ihre nächsten Schritte aussahen, ob sie weiter nach Süden in die Kyrloc-Berge und die gut versteckte Zufluchtsstätte der Wächter fliehen oder umkehren und gegen diese tödlichen Mächte und deren rätselhafte Absichten kämpfen sollten. Er hatte zu wenig Informationen, aber es gab einen Weg, diesem Mangel abzuhelfen. Der Geflügelte Geist. Eine feste Steintreppe führte zur Westmauer hinauf, und kaum jemand sah ihm nach, als er zu den Zinnen hochstieg. Es war feucht und kalt, und Calabos wickelte sich fester in seinen Umhang, als er über die Marsch hinausblickte. Hier oben war der Nebel dünner, und er konnte die Wolken über den Himmel ziehen sehen. Zwischen den Lücken funkelten die Sterne. Der Nebel ähnelte einem grauen, erstarrten Mantel, dessen Ränder von der Dunkelheit verschluckt wurden, während ein paar Bäume auf kleinen Felshügeln wie Inseln aus dieser geisterhaften See herausragten. Er legte seine Hand auf den kalten, harten Stein der Zinnen, atmete tief ein, schloss die Augen und atmete aus. Es war ein langer Atemzug, der perfekt mit dem Gedankengesang des Geflügelten Geistes in seinem Inneren harmonierte. Während seine Lungen sich leerten, fühlte er, wie sich die Bande, welche den Geist an den Körper fesselten, lösten. Er spürte, wie sein Bewusstsein zu schweben begann, seine Wahrnehmung sich veränderte und ausdehnte. Der Atem in seiner Luftröhre und das Blut in seinen Adern wurden dünner, und einen Augenblick lang sah er sich selbst aus einigen Metern Entfernung. Er blickte hinter das graue Haar und das faltige Gesicht, das seine Maske war und ein Tableau für die Spuren von drei Jahrhunderten Erfahrung, und sah noch weiter, auf die grausamen, barbarischen Erinnerungen, welche dem Schattenkönig Byrnak gehörten … Dann flog er los, über die Sumpflandschaft. Für die Sinne seines Geflügelten Geistes gab es weder Tag noch Nacht, sondern für ihn galt nur das Leben selbst und seine unzähligen Möglichkeiten, die sich vor ihm ausbreiteten. So weit er sehen konnte bestand das Land aus einem ungeheuren Netz aus miteinander verwobenen Ursachen, Folgen und Begierden, die miteinander rangen oder sich trennten, von einem Platz zum anderen strömten oder im Sande verliefen. Wälder erschienen dem Blick des Geflügelten Geistes wie uralte, mächtige Wesen, die sich mit unerbittlichem Griff am Land festklammerten. Berge glichen immensen Gedanken der Welt, die sich manifestiert und erhoben hatten, und so eine Herausforderung für alles Leben boten, das sich auf ihnen und um sie herum drängte. Rauschende Ströme ähnelten liebreizenden Melodien, während in weiter Ferne der grenzenlose Chor des Ozeans einen ewigen Wohlklang erzeugte.
    All dies durchdrang das strahlende Netzwerk der Niederen Macht. Verglichen mit der schon lange ausgerotteten Macht der Wurzel oder dem Brunn-Quell wirkte die Niedere Macht schwach und ungeformt, aber ihre alles durchdringende Natur verlieh ihr eine gewisse Ausgeglichenheit, ein Streben nach Harmonie.
    Es lauerten jedoch noch andere, geringere Mächte in diesem Land, die wie dunkle Knoten in einem vielfarbigen Netz wirkten. Manchmal war es ein besonderer Ort, zum Beispiel ein stehendes Gewässer, ein Monolith oder eine Kreuzung. Manchmal handelte es sich auch um etwas Lebendiges, einen alten, einsamen Baum, einen Ameisenhaufen oder ein Rattennest. Obwohl sie nicht mit den Feinden der Wächter im

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