03 - Schatten Krieger
hinausspülte.
Als der unterseeische Sturm langsam abebbte, zuckten blasse Blitze über Decks und Takelage. Die emporgestiegenen Schiffe schimmerten leicht, und trotz der einbrechenden Dunkelheit sah man, wie Gestalten auf den Decks erschienen. Sie marschierten steif an die Relings und starrten stumm auf die fünf Schiffe der Lebenden. Andere kletterten die vermoderten Flanken der regungslos daliegenden Wracks empor, und die Reihen der Untoten wurden immer dichter. Trotz der Entfernung konnte die Mannschaft der
Muräne
den widerlichen Verwesungsgestank riechen.
Bureng war sehr zufrieden mit dem, was er sah, und nahm seinen Fetisch-Spiegel in beide Hände. »Hanavok, Admiral der Seewölfe, tritt vor! Ich befehle es dir!«
Einen Moment lang schien es, als wäre sein Ruf ungehört verhallt. Doch plötzlich bewegte sich ein großes Schiff in einiger Entfernung, wendete langsam seinen Bug in Richtung
Muräne
und glitt ohne den geringsten Windhauch durch die ruhigen Wasser. Die feuchten Bohlen knarrten, als das uralte Schiff längsseits ging. Bureng stieg ohne Hast auf das Ruderdeck, während das Schiff der Untoten neben dem seinen zum Stillstand kam. Sein hohes Achterdeck überragte das Heck der
Muräne
um einiges. Bureng hielt den Spiegel in der Hand und lächelte, als er das verfaulte Holz des Hecks betrachtete. Die kunstvollen Schnitzereien waren jetzt halb verrottet und von tropfenden Algensträngen bedeckt, durch die Krabben und ähnliches Getier krochen. Eine Gestalt trat auf einen Gang mit einer niedrigen Reling, der an der Seite des Achterdecks entlangführte und sich fast in gleicher Höhe mit dem Ruderdeck der
Muräne
befand. Der Mann trug eine archaische, schuppenbewehrte Rüstung, die jetzt verfault und zerfetzt war. Ein vom Rost angefressener Helm umschloss seinen Schädel, dessen leere Augenhöhlen sich auf Bureng richteten. Bureng musterte sein Gegenüber. Dies musste Hanavok sein, der Kommandeur der Seewölfe von Ogucharn und Stellvertreter von Siggarak, der vor mehr als einem Jahrhundert die Piratenprinzen gegen Khatrimantine in den Krieg geführt hatte. Die Wiederbelebungszauber taten der weil ihr Werk und zogen Feuchtigkeit und andere Essenzen aus ihrer Umgebung, um das abgefaulte Fleisch dieser untoten Seeleute zu ersetzen.
Der von Flechten überzogene Kiefer besaß weder Lippen noch Zunge, aber dennoch berührte ein schwaches Wispern Burengs Geist.
Du hast uns zurück an diesen Ort geholt. Warum?
»Damit Ihr Eure unvollendete Aufgabe zu Ende bringen könnt, Admiral«, sagte Bureng. »Um den Thron von Khatrimantine zu stürzen und die Hauptstadt in Schutt und Asche zu legen.«
Wir … erinnern uns … aber wir begehren dies nicht länger … wir wollen nichts mehr
…
»Aber ich will es!«, erklärte Bureng. »Und ich zwinge Euch, meinem Willen zu gehorchen.« Mittlerweile überzog ein grauer Film die Schädelknochen Hanavoks, und ein einzelnes, blasses Auge starrte aus der rechten Höhle.
Wir gehorchen … Seinem Willen … wie lautet dein Befehl?
»Nehmt Kurs auf Sejeend«, sagte Bureng. »Sobald Ihr dort seid, belagert Ihr die Stadt und zerstört ihre Mauern.«
So sei es.
Wie von Zauberhand bewegten sich alle Schiffe der Geisterflotte und richteten sich westwärts aus. Bureng gab seiner Mannschaft entsprechende Befehle, die sie mit der Hast von Menschen ausführten, die froh waren, von diesen gespenstischen Erscheinungen abgelenkt zu werden, zwischen denen sie segelten.
Seid guten Mutes, meine Kaperfahrer, dachte er, als er ihre furchtsamen Gesichter sah. Sollte jemand von euch in den kommenden Gefechten fallen, wird Hanavok nur zu gern seine Mannschaften auffüllen.
11
Siehe, die Nachtbarken kommen,
Die Geister einzusammeln,
Eine Ernte verlorener Träume
Und aufgegebener Wünsche.
JEDHESSA GANT: DIE HERRN DER VERNICHTUNG, 2. AKT, II. SZENE
Die Nebelschwaden über der Korfaen-Marsch wirkten unter dem Mantel der Nacht noch bedrohlicher. Die kleine Gruppe der Wächter, die hintereinander durch den Graben marschierte, der die Sümpfe teilte, war froh über die drei Laternen, die Enklar, der Hausdiener, und Calabos' Gardisten Gillat und Rog trugen. Ihr Licht fiel jedoch nur auf die Wächter selbst und den steinigen Pfad, über den sie trotteten. Die kalte, endlose Dunkelheit, die sie von allen Seiten umzingelte, konnten die Laternen nicht erhellen.
Die Wächter waren vor beinahe sechs Stunden aus Sejeend geflohen. Die Korfaen-Marsch zu überqueren, hatte sie allein die Hälfte dieser
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