03 - Schatten Krieger
strahlte hell und boshaft, und eine Seite seines Mundes grinste wölfisch. Was auch immer von Corlek Ondene übrig geblieben sein mochte, war jetzt unter den vielen Phantomen begraben, die sich in seinem Kopf drängten. Es befriedigte Vorik und dämpfte sein Unbehagen ein wenig, das ihn jedes Mal beschlich, wenn er mit diesem sabbelnden Zerrbild eines Mannes sprach.
»Kennst du die Harmonien der trägen Nacht?« Vorik vermutete, dass diese barsche Stimme einem Priester gehörte. Normalerweise sprach er mit ihm, seltener auch ein Brigant.
»Kennst du die Grenzen des Unsterblichen Reiches?«, fuhr der Priester fort.
»Sollte ich das?«, spottete Vorik.
»Ich sehe seine Grenzen in deinen Augen«, erwiderte der Priester. »In den Quadern dieser Festung und in dem Fluss davor …«
»Mein erlauchter Meister hat selbst einen Meister«, erwiderte Vorik. »Nur sein Königreich wird am Ende von Bedeutung sein.«
»Dein Meister, der Herr des Zwielichts …«
Die Stimme ging unter, als andere lautstark darum stritten, ebenfalls zu sprechen.
»Ich kenne diesen Hund, dieses glorreiche Ungeziefer …«
»… und gab ihm mein Gesicht, und ihr, ihnen allen, mein entzückendes Gesicht…«
»Aber deckt er seine Flanke? Man sollte immer Vorbereitungen für das Unerwartete treffen …« «… flüchtige Worte des Schmerzes, ein liebloses Lebewohl …«
»Passt auf den Jungen auf. Ihm steht das Wort
Nemesis
auf seiner Stirn geschrieben …«
»… Mit Speeren angreifen … mit ausgestrecktem Arm, bitte sehr … all das, was wir begehren … eine untergegangene, vergangene Zeit… verbannt, schloss ich alle Türen … die Wut der Narren …!« Das gestammelte Kauderwelsch der Stimmen erschöpfte Ondene. Sein Kopf sank schlaff nach vorn. Doch dann hob er ihn wieder und starrte Vorik an, dem ein kalter Schauer über den Rücken lief, als er diesem kalten, scharfen Blick begegnete.
»Was für Qualen Ihr mir bereitet!«, stieß Corlek Ondene hervor. »Was für ein Fest des Grauens Ihr anrichtet. Wäre ich Herr über meinen Körper, würde ich Euch die Kehle herausreißen.«
»Sieh an, der Ehrenwerte Hauptmann!«, schnaubte Vorik verächtlich. »Ergebt Euch nur Euren Wunschvorstellungen. Doch Euer Schicksal ist es, von denen, die Euch überlegen sind, verzehrt zu werden!« »Gewürm!«, stieß Ondene erstickt hervor. Sein Gesicht wurde vor Anstrengung rot, als er sich auf die Füße zog. »Ich werde Vergeltung üben, das schwöre ich …«
Bevor er jedoch nur einen Schritt tun konnte, schwebte ein Phantom durch die Wand und landete auf seiner Schläfe. Er keuchte, sank zitternd auf die Knie und stürzte rücklings zu Boden, während das Gebilde langsam in seinen Schädel eindrang. Vorik lächelte, lehnte sich an die Mauer und sah zu, obwohl er es schon mehrmals beobachtet hatte. Wie zuvor ebbten Ondenes Krämpfe bald ab, und er entspannte sich, während er sich auf dem Boden ausstreckte. Dann gewannen die Phantome wieder die Kontrolle über seine Stimme. Auch das hatte Vorik bereits miterlebt. Jetzt würde Ondene eine Weile von den dominanteren Phantomen beherrscht werden, bevor ihn schließlich die Erschöpfung übermannen und er einschlafen würde.
Diesmal jedoch geschah das nicht. Statt eines lauten, heiseren Crescendos von Stimmen, stimmten sie plötzlich einen merkwürdigen Gesang an, der allmählich leiser wurde. Einen Moment herrschte Stille, dann richtete sich Ondene bedächtig auf, das Gesicht von Vorik abgewendet, und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Das Unsterbliche Reich … wartet«, erklärte er. »Sag deinem Meister, dass ich ihn sprechen möchte.« »Tatsächlich?«, erkundigte sich Vorik. »Warum?«
Der Mann, den er als Corlek Ondene kannte, drehte sich zu ihm um. Vorik bemerkte sofort die Veränderung, die unnachgiebige, tödliche Gelassenheit, die er ausstrahlte. Von Hauptmann Ondene lag nichts mehr in diesem durchdringenden Blick.
»Die Verschmelzung hat sich vollzogen, Vorik«, erklärte er. »Sag Jumil, dass ein Schattenkönig wartet. Und teile ihm mit, dass ich nicht der Einzige bin!«
13
In finsteren, unendlichen Kavernen,
Erwartet der Schlund uralter Macht
Gierig das Fleisch der Lebenden.
GUNDAL: DIE BELAGERUNG DER STEINE, 3. KAPITEL
An Bord der
Sturmklaue
folgte Qothan dem Ruf ins Orakel und fand dort Prinz Agasklin vor. Er saß bereits in einem der vier Stühle, die sich gegenüberstanden.
»Große Gefahr liegt vor uns, Qothan«, erklärte er. »Die bösartigen Schliche und
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