03 - Sinnliche Versuchung
schüttelte energisch den Kopf. »Nein, ich kann doch nicht
...«
»Wer sonst? Sie
sind die Einzige, die es kann. Ich bestimmt nicht. Sagten Sie nicht vorhin, Sie
wollten mich retten?«
Was hatte sie sich
dabei gedacht, als sie das sagte? Juliannas Herz pochte gegen die Rippen. Fest,
wie ein Hammer.
»Sie können es. Ich
weiß, dass Sie es können.«
Sie wünschte, sie
hätte so großes Vertrauen in ihre Fähigkeiten wie er. »Woher wollen Sie das
wissen? Sie kennen mich nicht einmal.«
»Ich halte Sie für
eine willensstarke Frau. Außerdem haben Sie doch eine ruhige Hand, oder?«
Julianna schluckte.
»Sagen Sie mir, was ich tun soll.«
Am Schrank ist eine
Schüssel. Darin finden Sie alles, was Sie brauchen. Und bringen Sie die Flasche
Branntwein mit. Sie steht daneben.« Aus seiner Stimme waren Anzeichen von
Schmerz zu hören.
Julianna tat wie
ihr geheißen. Sie öffnete ein kleines ledernes Behältnis. In den Taschen
befanden sich ein scharfes Messer, ein zweites mit einem Haken am Ende und eine
Pinzette. Auf der anderen Seite steckten Nadel und Faden.
Sie warf ihm einen
erstaunten Blick zu. »Ein Arztbesteck?«, fragte sie überrascht.
Ein Mundwinkel zog
sich zu einem winzigen Lächeln nach oben. »Sagen wir, ich bin gern auf alles
vorbereitet.« Später kam sich Dane wie ein Narr vor. Er war nicht darauf
vorbereitet, dass sie auf ihn schießen würde. Vielleicht hatte der Blutverlust
seine Sinne verwirrt, aber er konnte ihr nicht böse sein. Was sie getan hatte,
erforderte großen Mut.
Nach kurzem
Nachdenken überraschte Julianna nichts mehr. Es war sein Entschluss, gefährlich
zu leben.
Aufmerksam lauschte
sie seinen Anweisungen. Nachdem sie das Messer mit Branntwein übergossen hatte,
nahm sie all ihren Mut zusammen und hob es hoch. Das Herz pochte so laut, dass
sie kaum denken konnte.
Dane winkte ab.
»Halt!«
Julianna hielt
inne. Die Messerspitze schwebte über seiner Brust. Dane ergriff die Flasche und
nahm ein paar kräftige Schlucke. Bevor er die Flasche absetzte, blickte er sie
auffordernd an.
»Vielleicht möchten
Sie auch einen Schluck trinken?«
Dass sie es in
Erwägung zog, sprach für ihren Zustand! Sie sah angestrengt auf das Messer in
ihrer Hand. »Lieber nicht, Sir. Ich brauche eine ruhige Hand, an der Ihnen
gelegen sein dürfte.«
Die trockene
Bemerkung gab ihm den Rest. Dichte Nebelschwaden sanken auf ihn. War nun der
Schmerz oder der Brandy die Ursache, er wusste es nicht.
Dane lehnte sich
zurück. »Ich bin bereit«, mehr sagte er nicht.
Julianna schickte
ein Stoßgebet zum Himmel und machte sich ans Werk.
Nur einmal wagte
Julianna einen Blick auf sein Gesicht; das war ein Fehler, denn um ein Haar
hätte sie das Messer fallen lassen. Er war weiß wie der Schnee. Die Augen waren
krampfhaft geschlossen. War er ohnmächtig geworden? Sie hoffte es. Aber dann
schluckte er und die Adern am Hals traten hervor.
Tränen quollen ihr
aus den Augen, die sie jedoch mühsam zurückhielt.
Schweißperlen
standen ihr auf der Stirn. Würde sie sich überwinden können, mit den
Instrumenten in seine Wunde einzudringen? Sie wusste es nicht. Sie berührte
Fleisch und Muskeln und zuckte zusammen, als sie auf harte Knochen stieß. Er
war unglaublich tapfer. Innerlich litt sie mit ihm mit.
Minuten später fiel
die Kugel in die Schüssel. Aber die Wunde fing wieder zu bluten an. Ihr
Eingriff hatte die Öffnung, die das Geschoss in die Schulter gerissen hatte,
geweitet. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sie so gut es ging zuzunähen.
Schwer atmend setzte sie sich zurück.
Ein Zittern lief
durch seinen Körper und er machte die Augen auf. »So schlimm war es nicht,
oder?« Er sprach heiser. Es war mehr ein Flüstern. Und er versuchte zu
lächeln.
Julianna konnte es
nicht. Die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Sie konnte kaum atmen. Sein warmes
Blut klebte an ihren Fingerspitzen.
Die Wände der Hütte
kamen auf sie zu und ihr Magen hob sich. Sie stürzte hinaus und erbrach sich.
Sie verschränkte
die Arme vor der Brust und schaukelte vor und zurück, immer wieder. Sie hatte
das Gefühl, als sei die Welt verrückt geworden und sie mit ihr.
Sie hatte nichts
sehnlicher gewünscht, als einige Tage fern von London zu sein, vielleicht mit
etwas mehr Aufregung in ihrem eintönigen Leben!
Aber doch nicht
das. Niemals!
Heiße, brennende
Tränen liefen ihr über die Wangen. Als sie sich ein wenig gefangen hatte,
wischte sie mit dem Handrücken darüber und betupfte sich den Mund mit dem
Rockzipfel.
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