03 - Sinnliche Versuchung
abzuwarten, ging sie wieder in den
Stall. Sie spürte, dass das mächtige Ross sie akzeptiert hatte - das
hoffte sie wenigstens!
Er schnaubte, als
sie das Fressen in den Trog schüttete. Sie tätschelte seinen Nacken, ging
zurück und fand einen zweiten Eimer, der zur Hälfte mit Wasser gefüllt war. Auf
der anderen Seite der Lichtung fand sie, was sie suchte - einen Brunnen.
Sie füllte den
Eimer aus Parzivals Stall mit frischem, kühlem Wasser und sah, dass Maximilian
ebenfalls hinausspaziert war. Nase an Nase standen sich die Tiere gegenüber,
das riesige schwarze Pferd und der winzige schwarze Kater. Bei dem Anblick
musste sie lächeln. Es war eindeutig, dass sich das Paar schon länger kannte.
Das Lächeln
schwand. Ein merkwürdiger Schmerz fuhr ihr durchs Herz. Sie war den Tränen
gefährlich nahe ... schon wieder! Unaufgefordert tauchten Erinnerungen auf.
Sie fühlte sich elend, weil sie ihre Krankheit vorgetäuscht hatte. Betrug lag
nicht in ihrer Natur. Was hatte Dane gesagt, bevor sie auf ihn schoss?
Ich hatte mir um
Sie Sorgen gemacht, Kätzchen.
Tatsächlich? War er
tatsächlich um sie besorgt gewesen? Und später, als sie wieder in die Hütte
ging ... plagte sie erneut das schlechte Gewissen. Er war nicht um sich
besorgt, sondern um sie. Was für ein Mensch war er?, fragte sie sich. Und wieso
machte sie sich über ihn Gedanken? Das Wenige, was sie über ihn wusste, machte
ihn nicht gerade empfehlenswert. Er war ein Gesetzloser, ein Räuber.
Und doch wusste
sie, dass er kein Mann ohne Herz war, ohne Seele.
Und sie war keine
Frau ohne Gewissen.
Sie biss sich auf
die Lippen, als sie zusah, wie Parzival das Wasser aus dem Eimer schlürfte.
Sie konnte weggehen. Sie musste weggehen. Jetzt hatte sie die
Möglichkeit fortzugehen. Sie brauchte nur fortzureiten, ihn zurückzulassen,
und sie wäre frei.
Aber das wollte sie
nicht mehr. Sie konnte Dane nicht im Stich lassen. Das brachte sie einfach
nicht übers Herz.
Maximilian strich
um ihr Bein. Plötzlich sprang er zur Hüttentür, die offen stand. Er blieb in
der Tür stehen und blickte sie mit den schräg gestellten Augen an, als ob er
wartete ...
Julianna seufzte.
»Ja, Maximilian. Ich komme gleich.«
Während der Nacht
wechselte Danes Zustand zwischen glühendem Fieber und eisigem Schüttelfrost.
Einmal wachte er auf und blickte sie durch feuchte, goldfarbene Augen an.
Julianna hatte das ungute Gefühl, dass er durch sie hindurchsah, als sei sie
nicht vorhanden. Sie haderte mit ihrer Hilflosigkeit. Von der Welt
abgeschnitten, hatte sie keine Arzneimittel. Sie konnte nichts anderes tun, als
die Wunde sauber zu halten und abzuwarten.
Sie war müde, wagte
aber nicht zu schlafen, falls er sie brauchen würde. Am Nachmittag des
folgenden Tages hatte sie einen Entschluss gefasst. Wenn sich sein Zustand am
nächsten Morgen nicht gebessert hatte, würde sie ausreiten. Irgendwo musste es
doch ein Dorf geben. Eine Straße. Ein Bauernhaus. Sie musste etwas tun.
Aber wenn jemand
herausfand, dass er die Ester ist?, warnte sie eine innere Stimme. Wad
dann? Wie kommst du dir dann vor?
Wie ein Verräter,
gestand sie sich ein. Nein, das machte keinen Sinn. Sie war ihm nichts schuldig.
Sie hatte sich um ihn gekümmert, soweit sie dazu in der Lage war, und doch
konnte sie sich ihre Gefühle für ihn nicht erklären. Es hatte beinahe etwas mit
Loyalität zu tun. Aber das ergab wieder keinen Sinn! Und auch das verstand sie
nicht.
Aber eines stand
einwandfrei fest. Sie konnte ihn auch nicht sterben lassen.
Sie hatte sich
entschlossen. Beruhigt schürte sie das Feuer und nahm ihre Wache am Bett wieder
auf. Den Schemel hatte sie nahe herangezogen, um ihren Patienten besser zu
beobachten. Die Brauen und die Haarlocke auf der Stirn hoben sich schwarz von
der Haut ab, aus derJede Farbe gewichen war. Behutsam, mit einer fast
zärtlichen Geste strich sie ihm das feuchte Haar aus der Stirn.
»Du musst wieder
gesund werden, Dane. Du musst.«
Unwillkürlich
schoben sich ihre Finger unter seine Hand. Er umschloss sie und schien es zu
mögen. Ja, sie hätte schwören können, dass er sich bei ihrer Berührung
entspannte. Ab und zu fiel ihr der Kopf nach vorn und sie wachte erschrocken
auf.
Maximilian wusste
es noch vor ihr ... er sprang aufs Bett und streckte sich neben seinem Herrn
aus.
Danes Augen
öffneten sich weit und richteten sich geradewegs auf sie. Dieses Mal war sein
Blick klar und fest.
»Sie sind immer
noch da. Ich dachte, ich hätte es geträumt.«
Seine
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