03 - Sinnliche Versuchung
sich eingestehen, dass sie keine Lust dazu
hatte. Gestern Nacht hatte sie sich in den Schlaf geweint und fürchtete daher,
eine nicht sehr anregende Begleitung zu sein.
Für eine
Entschuldigung reichte dies nicht aus, trotzdem wollte sie Caroline durch
einen Boten ausrichten lassen, dass sie leider absagen müsse. Blieb sie aber zu
Hause, würde es ihr wie am Abend zuvor ergehen und sie würde sich wieder in den
Schlaf weinen.
Die dunkelrote
Farbe des Kleides, das sie für diesen Abend ausgewählt hatte, strahlte auf sie
über und verlieh ihr Mut und Zuversicht. Julianna verdrängte jeden Gedanken an
ihn, als sie mit ihren Freunden das Theater betrat.
Von allen Londoner
Theatern besuchte sie am liebsten das Theatre Royal. Das Gebäude war bei vier
verschiedenen Gelegenheiten bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Bei der
letzten Wiedereröffnung vor sechs Jahren hatten sie mit Sebastian und Justin
die Premiere von Hamlet gesehen.
Der Abend verging
schneller, als sie erwartet hatte. Sie verabschiedete sich von Caroline und
ihrem Mann und verließ das Theater. An der Ecke zur Russell Street blieb sie
stehen und hielt nach ihrer Kutsche Ausschau.
Die Menschen
strömten an ihr vorbei. Während sie wartete, verspürte sie plötzlich ein feines
Kribbeln, das von den Schultern zum Nacken hinaufzog. Langsam wandte sie den
Kopf.
Die prächtige
Erscheinung eines Mannes im schwarzen Rock und Stiefeln hob sich aus der Menge
ab. Ihr stockte der Atem.
Der Anblick war so
überwältigend wie neulich abends bei den Farthingales, und wieder erstarrte sie
zur Salzsäule. Sein aufrechter, energischer Gang war betont zielstrebig, als er
näher kam. Tapfer kämpfte sie gegen die aufsteigende Panik an.
Eine Hand legte
sich warm in ihre Armbeuge »Hast du noch etwas vor, Liebes?«, hörte sie ihn
kehlig murmeln.
Das Herz schlug ihr
bis zum Hals. Julianna zwang sich, ihm ins Gesicht zu schauen und äußerlich
unbeteiligt zu bleiben. Trotzig blitzte sie ihn an. »Wie hast du mich
gefunden?«
»Mrs MacArthur
zeigte sich sehr entgegenkommend.«
Sie reckte das
Kinn. »Ich verstehe. Mit ihr werde ich ein ernstes Wort reden müssen. Leider
hast du den Weg umsonst gemacht.« Sie war stolz auf ihr selbstsicheres
Auftreten. »Ah, das sind sie ja. Bitte entschuldige mich.«
Er ließ sie nicht
gehen und streichelte stattdessen ihre Armbeuge, dort, wo ihr Handschuh endete.
»Ich gehe, Dane.«
»Ja. Mit mir.«
Seine Stimme hatte einen freundlichen Plauderton, klang aber unterschwellig
hart, und sein charmantes Lächeln verzerrte sich leicht, was nichts Gutes
bedeutete.
»Nein. Ich ... ich
warte auf meine Freundin Caroline und ihren Mann. Wir sind zu einem kleinen
Souper verabredet ...«
Er schüttelte den
Kopf.
Sie presste die
Lippen aufeinander. »Wie bitte? Was?«
»Du bist zweifellos
die schlechteste Lügnerin, die mir je begegnet ist.«
»Aus deinem Munde,
Sir, halte ich das für ein Kompliment!«
Er behielt dieses
verdammte Lächeln, das sie maßlos .aus der Fassung brachte. Er grüßte jemanden,
dann wandte er sich ihr wieder zu.
»Ich komme nicht
mit dir mit, Dane.«
»Wenn nicht, dann
verkünde ich hier jedem, was für entzückende Grübchen du auf deiner Rückseite
hast.«
Sie blickte ihn
entgeistert an. »Dane, was soll das?«
»Bei den
Farthingales hast du mir auch auf diese Weise gedroht, Liebes. Sehr unangenehm.«
»Drohungen kann ich
nicht ausstehen.«
»Es sei denn, sie
kommen von dir.«
Sie funkelte ihn
wütend an. »Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.« Aus einer
Eingebung heraus sagte sie plötzlich: »Hat man Ihnen Ihre Taschenuhr
gestohlen, Mylord?«
Er zog die Augen zu
Schlitzen zusammen und packte wie zur Warnung fester zu. »Julianna«, begann
er.
»Ja, ja, ich weiß
schon. Die Ausbeute einer Nacht, nehme ich an.~,
Er schwieg und
blickte sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Julianna schluckte.
»Stimmt es, was gestern Nacht geschehen ist? Dass jemand ...«
»Ja.« Seine Lippen
bewegten sich kaum.
»Und dir ist nichts
passiert?«, fragte sie unwillkürlich.
»Natürlich nicht.«
Natürlich nicht. Natürlich? Zum Teufel mit ihm!, dachte sie aufgebracht. Er war nicht unbesiegbar. Wie
konnte ein Mann - wie konnte er! - von sich so überzeugt sein.
CMittlerweile war
ihre Kutsche in der langen Reihe vor ihr stehen geblieben. Der Kutscher George
öffnete den Wagenschlag.
»Mylady?«, sagte er vergnügt.
Dane half ihr beim
Einsteigen und sprang auf. Bevor sie protestieren konnte,
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