03 - Sinnliche Versuchung
hatte, auf sie zukam, konnte Julianna ihn
nur mit großen Augen ansehen.
»Dane«, sagte sie
schwach, »was wird mit ihr geschehen?«
Er strich ihr über
den Arm.
»Im Augenblick kann
keiner von euch etwas unternehmen. Geh nach Hause und ruh dich aus.« Er drückte
leicht ihren Arm. »Und warte dort auf mich.«
In Wirklichkeit
hatte Dane die Situation fest im Griff ...
Und er würde alles
tun, was in seinen Kräften stand.
Alles, was getan
werden musste.
Zweiundzwanzigstes
Kapitel
Am Vormittag des
nächsten Tages ging Sebastian die Stufen zu Juliannas Stadthaus hinauf. Justin
folgte kurze Zeit später. Die Brüder hatten ein Bad genommen und sich
umgezogen; Mrs MacArthur hatte im Damenzimmer ein leichtes Frühstück bereitet.
Sie schienen nicht besonders hungrig zu sein, und so versammelten sich die
Geschwister recht bald im Salon. Keiner von ihnen war bis jetzt besonders
gesprächig gewesen, Justins Schweigsamkeit aber war den Geschwistern nicht
entgangen. Sebastian und Julianna tauschten einen besorgten Blick aus, als er
ihnen folgte. Julianna nahm neben Sebastian Platz und atmete tief durch.
»Also«, sagte sie,
»es ist Zeit, dass wir über Mutter sprechen, findet ihr nicht auch? Ich
fürchte, ihre Situation könnte letztendlich sehr unangenehm werden.«
»Und ich fürchte,
dass der Name unserer Familie wieder durch den Schmutz gezogen wird«, setzte Sebastian
verdrossen hinzu. »Wir müssen mit der durchaus bestehenden Möglichkeit
rechnen, dass sie ins Gefängnis kommt. Ich kann mir bei Gott nicht vorstellen,
wie sie das überstehen soll. Aber ich denke, wir sollten alles daran setzen,
dass sie die beste Verteidigung bekommt.«
Julianna strich mit
der Fingerspitze um den Rand ihrer Teetasse. »Ich bin deiner Meinung. Auch wenn
sie uns verlassen hat, können wir sie in dieser schwierigen Lage nicht im
Stich lassen.«
Sebastians Blicke
wanderten zu Justin. »Dann sind wir uns alle einig?«
Zum ersten Mal an
diesem Morgen flog ein echtes Lächeln über Justins Gesicht. »Dachtest du
vielleicht, ich wäre dagegen? Sie ist immer noch unsere Mutter.«
»Ehrlich gesagt,
ich war mir nicht sicher«, gestand Sebastian ein. »Mutter war immer so
kapriziös, so verdammt impulsiv. Und Vater war ... er war unmöglich, findet
ihr nicht auch? Ich möchte nicht entschuldigen, was sie getan hat, nichts
davon. Sie wollte, dass man sie bewundert, sie anbetete. Aber auf ihre Weise
hat sie uns geliebt. Vielleicht ist es töricht von mir, aber schon seit Jahren
mache ich ihr das nicht mehr zum Vorwurf. Auch wenn sie sich jetzt strafbar
gemacht haben mag, traue ich ihr nichts Böses zu.«
Justin schüttelte
den Kopf. »Du bist nicht töricht, Sebastian. Du bist ... mit einem Wort, für
mich bist du der beste Mensch, den ich kenne.«
Sebastian lächelte
ein wenig verlegen. »Danke.« Dann wurde er wieder ernst. Forschend blickte er
in das Gesicht des Bruders. »Darf ich dich etwas fragen?«
»Natürlich.«
»Was du vorhin zu
Mutter gesagt hast. Ober Vater. Ich wusste immer, dass irgendetwas im Gange war
... ich war mir nur nicht sicher, was.« Er beobachtete ihn genau.»Du warst in der
Nacht, in der er starb, bei ihm, das ist doch richtig?«
»Ich war bei ihm,
als er starb.«
Sebastian war
verwirrt. »Warum hast du nie etwas davon erzählt?«
»Ich gab mir die
Schuld an seinem Tod, Sebastian. Jahrelang. Bis ich Arabella geheiratet habe.
Ich habe mich geschämt.« Er legte die Hände auf die Knie und verschränkte sie.
»Ich war jung. Ich war ungestüm. Und wir hatten diesen furchtbaren Streit.«
»Wegen Mutter.«
»Ja.«
»Mir war immer klar
gewesen, dass es dich am meisten getroffen hatte, als Mutter uns verließ«,
sagte Sebastian leise. »Aber du hast es nie gezeigt.«
»Vor dieser Nacht«,
bekannte er kaum hörbar, »hatte ich niemals bezweifelt, was man uns immer
gesagt hatte - dass Mutter erst nach Juliannas Geburt eigene Wege ging.
Erst, als wir älter waren, kamen Zweifel auf ... aber nach jener Nacht mit
Vater« - sein Gesichtsausdruck wirkte gequält - »fragte ich mich,
ob dies der Wahrheit entsprach. War sie bereits vor unserer Geburt untreu
gewesen? Hatte Vater mich gehasst, weil ich Mutter so sehr ähnelte? Oder weil
er nicht mein leiblicher Vater war?«
Während Julianna
ihrem Bruder zuhörte - ihn hörte -, spürte sie einen stechenden
Schmerz im Herzen. »Justin«, sagte sie liebevoll, »darum geht es nicht. Er
bestrafte uns, weil er sie nicht bestrafen konnte. Er konnte einfach
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