03 - Tod im Skriptorium
Entschädigung die Rückkehr des Gebiets von Osraige in seinen Herrschaftsbereich zu fordern?«
Colgú duckte sich unwillkürlich.
»Ich meine es nicht nur, ich weiß es. Bereits gestern ist Forbassach von Fearna als Gesandter des Königs Fianamail von Laigin hier angekommen.«
In Fearna befand sich sowohl der Sitz der Könige von Laigin als auch Noés Abtei.
»Wie kann die Nachricht sie so schnell erreicht haben?« fragte Fidelma.
Colgú hob die Hände.
»Ich vermute, es ist sofort jemand von Ros Ailithir losgeritten, um Dacáns Bruder Noé in Fearna zu verständigen.«
»Logisch«, stimmte Fidelma zu. »Aber was hat dieser arrogante Forbassach in der Angelegenheit zu sagen?«
»Der Gesandte von Fianamail hat seine Forderungen genau formuliert. Es müsse nicht nur das éric -Bußgeld bezahlt werden, die festgelegte Geldstrafe, sondern auch als Sühnepreis die Rückgabe aller Herr schaftsrechte über Osraige an Laigin erfolgen. Lehnen wir das ab, will Fianamail es auf blutigem Wege durchsetzen. Du kennst die Gesetze besser als ich, Fidelma. Haben sie das Recht, solche Ansprüche zu stellen? Ich fürchte, ja, denn Forbassach ist nicht dumm.«
Fidelma preßte nachdenklich die Lippen zusammen.
»Unser Rechtssystem gestattet es, einen Mord durch die Zahlung einer Entschädigung zu sühnen, durch das éric -Bußgeld, wie du richtig sagst. Es beträgt sieben cumals , den Gegenwert von einundzwanzig Milchkühen. Doch wenn das Opfer ein Mann oder eine Frau von Rang und Bedeutung ist, dann haben die Verwandten des Opfers das Recht, einen Sühnepreis, den lóg n-enech , zu fordern. Das war auch das Gesetz, nach dem Conaire Mór seinerzeit Osraige für Muman forderte. Wenn der Täter diesen Sühnepreis nicht entrichten kann, wird erwartet, daß seine Verwandten dafür aufkommen. Wird er nicht gezahlt, dürfen die Verwandten des Opfers eine Blutfehde, dígal genannt, beginnen, um den Sühnepreis zu erlangen. Doch das bedeutet nicht, daß dem König von Laigin dieses Recht zusteht. Es sind noch mehrere Fragen zu klären.«
»Gib mir einen Rat, Fidelma«, bat Colgú und beugte sich vor.
»Welches Anrecht hat Fianamail in dieser Angelegenheit? Nur Verwandtschaft berechtigt dazu, einen Sühnepreis zu benennen und zu fordern.«
»Fianamail ist ein Vetter von Dacán und spricht für seine Sippe. Darin wird er auch von Noé, dem Bruder Dacáns, unterstützt.«
Fidelma erlaubte sich einen tiefen Seufzer.
»Das gestattet Fianamail allerdings, seinen Anspruch zu erheben. Aber unterstützt ihn Abt Noé tatsächlich in seinen Forderungen? Sie führen doch mit Sicherheit zu Blutvergießen. Noé ist ein herausragender Vertreter des Glaubens und wird geliebt und geachtet wegen seiner versöhnenden Lehren und seiner Handlungen der Vergebung. Wie kann er dann zu einer solchen Rache aufrufen?«
»Dacán war schließlich Noés Bruder«, erklärte Colgú.
»Trotzdem kann ich mir schwer vorstellen, daß Noé sich so verhält.«
»Nun, er tut es jedenfalls. Aber du hast angedeutet, daß es noch andere Gründe gibt, weshalb Laigin keinen Sühnepreis von Muman verlangen könne. Welche?«
»Die Strafen können nur über die Familie der Person verhängt werden, die für Dacáns Tod verantwortlich ist. Wer hat Dacán getötet? Nur wenn ein Mitglied unserer Familie, der Eóganachta als Königsfamilie von Muman, dafür haftbar ist, kann Laigin einen Sühnepreis von Muman fordern.«
Colgú machte eine hilflose Geste.
»Wir wissen nicht, wer Dacán getötet hat, doch die Abtei Ros Ailithir wird von unserem Vetter Brocc geleitet. Ihm als Abt wird die Schuld am Tode Dacáns angelastet.«
Fidelma kniff die Augen zusammen, um ihre Überraschung zu verbergen. Sie hatte eine vage Erinnerung an ihren älteren Vetter, für ihren Bruder und sie stellte er eine ferne und unfreundliche Gestalt dar.
»Was veranlaßt den König von Laigin, unserem Vetter die Schuld am Tode Dacáns zu geben? Tut er es einfach nur, weil Brocc für die Sicherheit aller verantwortlich ist, die sich in seiner Abtei aufhalten, oder hat er ihm etwas vorzuwerfen?«
»Das weiß ich nicht«, gestand ihr Bruder. »Aber ich glaube nicht, daß Fianamail von Laigin leichtfertig eine Anschuldigung erheben würde.«
»Hat man schon Schritte unternommen, um das festzustellen?«
»Fianamails Gesandter hat lediglich erklärt, daß alle Beweismittel und Aussagen dem Großkönig und seinem Oberrichter bei der großen Ratsversammlung in Tara vorgelegt werden. Man wird die Versammlung
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