03 - Tod im Skriptorium
sanken ihre Schultern resigniert herab.
Ein hochgewachsener Leibwächter des Großkönigs ging zu ihr, tippte der »Schwester« auf die Schulter und bedeutete »ihr«, sie solle vor die Richter treten. Langsam und widerwillig gehorchte »Schwester Necht«.
Kein Laut war zu hören, und alle Augen folgten der Gestalt, als sie langsam dorthin schritt, wo Fidelma sie erwartete. Die »Novizin« gab sich keine Mühe mehr, ihre männliche Haltung zu verbergen.
»Darf ich euch Nechtan vorstellen, den Sohn Illans von Osraige. Nechtan ist der ältere Bruder von Cétach und Cosrach.«
»Schwester Necht« straffte »ihre« Schultern und schob trotzig »ihr« Kinn vor, als »sie« vor Fidelma stand.
»Würdest du bitte deine Kopfbedeckung abnehmen?« sagte Barrán.
»Schwester Necht« riß sich die Kopfbedeckung herunter.
»Das Haar ist kupferfarben, fast rot«, gab Forbassach in quengeligem Ton zu. »Aber diese … diese Person … sieht immer noch wie ein Mädchen aus.«
»Müssen wir diese Komödie noch weiterspielen, Nechtan?« fragte Fidelma. »Sag die Wahrheit.«
»Es ist alles vorbei, mein Junge«, rief Midach traurig und ohne Hoffnung. »Gestehen wir die Wahrheit ein.«
Der Junge mit dem kupferroten Haar starrte Fidelma mit beinahe haßerfülltem Blick an.
»Ja, ich bin Nechtan, der Sohn Illans«, verkündete er stolz.
»Es war alles meine Idee«, beeilte sich Midach zu erklären. »Ich wußte nicht, was ich sonst tun sollte. Ich wußte, daß Scandlán und seine Familie nach Illans Erben suchten. Ich kannte Illans Testament natürlich. Die Jungen waren in meine Obhut gegeben worden, und die jüngeren sollten nach Sceilig Mhichil gehen. Ich glaubte, dort wären sie sicher. Doch ich wußte nicht, wo ich Nechtan verstecken sollte. Aber dann kam mir der Gedanke, er könne sich, als Novizin verkleidet, in der Abtei verbergen und so könne ich ihn stets im Auge behalten. Wer die Erben Illans suchte, der suchte nach seinen Söhnen und nicht nach einem Mädchen.«
»Nechtan war zwar gerade siebzehn geworden, doch mit seiner dunklen Stimme und schlanken Gestalt verwandelte er sich nun in eine junge Frau«, ergänzte Fidelma. »Mit einer Farbe aus Holunderbeeren ließen sich Lippen und Wangen röten, und aus Nechtan wurde Schwester Necht.«
»Anfangs nahm ich an, Dacán handle im Auftrag von Scandlán«, fuhr Midach fort. »Als ich entdeckte, daß er Illans Testament entziffert hatte, verließ ich sofort die Abtei, um die Jungen von der Insel wegzuholen, bevor man sie dort aufspürte. Ich brachte sie zurück und gab sie Schwester Eisten mit nach Rae na Scríne. Erst nach meiner Rückkehr in die Abtei erfuhr ich, daß Dacán umgebracht worden war.«
»Und wann gestand dir Nechtan, daß er es getan hatte?« fragte ihn Fidelma.
»Am nächsten …« Midach biß sich auf die Lippen und senkte den Kopf. Nechtan starrte schweigend vor sich hin und zeigte keinerlei Bewegung.
Der Oberrichter beugte sich vor.
»Warum hat der Junge Dacán getötet?« fragte Barrán. »Diesen Punkt wollen wir endlich geklärt haben.«
»Schwester Necht oder vielmehr Nechtan tötete Dacán aus Furcht«, antwortete Fidelma. »Bevor Midach nach Sceilig Mhichil abfuhr, hatte er ihm erzählt, daß er glaube, Dacán arbeite für seine Feinde. Necht haßte Dacán bereits wegen seines selbstherrlichen, rücksichtslosen Wesens. Es fehlte nur noch ein Funke. Wenige Stunden, nachdem Midach abgereist war, um seine Brüder zu retten, erstach Nechtan Dacán. Ich glaube nicht, daß er die Tat vorsätzlich beging. Erst nachdem sie geschehen war, versuchte Nechtan sie so darzustellen, als sei sie mit Vorbedacht verübt worden.«
»Wie meinst du das?« fragte Barrán.
»Nechtan brachte Dacán um und versuchte später, eine Spur zu einer anderen Person zu legen, damit man dieser Person die Schuld gebe.«
»Und wie tat er das?«
»Nachdem Midach die Abtei verlassen hatte, wurde Nechtan in Dacáns Zimmer gerufen und sollte ihm Wasser bringen. Vielleicht gab es einen Wortwechsel. Nechtan zog ein Messer und versetzte dem alten Mann im Zorn eine Reihe von Stichen.«
»Er hatte einen Verdacht, wer ich war, das weiß ich!« protestierte Nechtan und sprach damit zum erstenmal. Seine früher schon dunkle Stimme klang etwas schärfer und männlicher, verriet aber kein Gefühl. »Entweder sein Leben oder meins, so standen die Dinge. Er hätte mich getötet, wenn er gewußt hätte, wer ich bin.«
Forbassach saß da und schüttelte verständnislos den Kopf. Fidelma
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