03 - Tod im Skriptorium
hinzu für den Fall, daß er es leugnen wollte.
»Dann bestreite ich es nicht«, erwiderte Assíd.
»Ich frage mich, weshalb du Ros Ailithir anliefst? War es reiner Zufall? Nein. Es gibt noch andere Gästehäuser an der Küste. Du hättest sogar in Cuan Dóir übernachten können. Doch du kamst hierher. Das läßt mich vermuten, daß du dich mit Dacán verabredet hattest.«
Assíd schaute unbehaglich drein. Offensichtlich hatte Fidelma mit ihrer Annahme recht.
»Also fragte ich mich, warum du dieses Treffen mit Dacán verabredet hattest. Sagst du es uns, oder soll ich es erklären?«
Assíd versuchte ein Zeichen von den Bänken von Laigin zu erhaschen.
Fidelma holte die Buchtasche von der Bank, auf der sie gesessen hatte, und nahm mehrere Stücke Pergament heraus.
»Ich lege hier als Beweisstück den Entwurf eines Briefes von Dacán an seinen Bruder, Abt Noé, vor, in dem er diesen davon unterrichtet, daß er den Aufenthaltsort eines überlebenden Erben Illans entdeckt hat, und er tut das in Worten, die kaum einen Zweifel daran lassen, daß er mit dieser Nachforschung beauftragt war und daß er damit rechnete, daß sein Bruder daraufhin etwas unternehmen werde.
Zum Glück für uns machte Dacán einen Tintenfleck auf diesen Entwurf. Als peinlich genauer und systematischer Mensch legte er ihn beiseite und schrieb einen neuen Brief. Entweder vergaß er, den Entwurf zu vernichten, oder er wurde ihm gestohlen, bevor er das tun konnte. Jedenfalls befand er sich im Besitz von Schwester Grella, und deshalb können wir beweisen, daß Dacán im Auftrag seines Bruders handelte.«
Fidelma machte sich nicht die Mühe, zu den Bänken von Laigin hinüberzusehen. Dort war es merkwürdig still, während Barrán das Beweisstück prüfte, das Fidelma ihm gereicht hatte.
»Und du sagst, daß Assíd die Reinschrift dieses Briefes erhielt und den Bericht zu Noé brachte?« fragte Barrán.
Fidelma neigte bejahend den Kopf.
Der Oberrichter wandte sich an Forbassach als den Anwalt für Laigin. Seine Miene war finster.
»Forbassach, die Beweislage ist klar. Ich muß dich jetzt warnen. Der Gesetzestext, das Din Techtugad , bestimmt, daß jemand, der ein falsches Zeugnis ablegt, damit seinen Sühnepreis verwirkt. Falsches Zeugnis ist eine der drei Vergehen, die Gott am strengsten bestraft. Ich will zu diesem Zeitpunkt noch keine Strafe aussprechen, sondern gebe dem Abt Noé Zeit, darüber nachzudenken.« Er wandte sich wieder an Fidelma. »Fahre bitte fort, Schwester.«
»Gibst du das zu, Assíd, oder leugnest du es?« fragte sie.
Assíd ließ den Kopf hängen.
»Ich gebe zu, daß ich herkam, um eine Botschaft von Dacán abzuholen und sie seinem Bruder Noé zu bringen. Nach dem Abendessen traf ich mich mit Dacán, und er gab mir den Brief. Wir wechselten ein paar erregte Worte, weil er mir nicht sagen wollte, was darin stand, und mir einen Eid abnahm, daß ich ihn nicht öffnen würde. Ich habe immer noch keine Ahnung, was in dem Brief stand. Dann ging ich zu Bett. Am Morgen hörte ich, daß Dacán umgebracht worden war. Bruder Rumann, der Verwalter der Abtei, fragte mich, wo ich mich während der Nacht aufgehalten hatte. Als ihm klar war, daß ich nichts wußte, gab er mir die Erlaubnis abzureisen. Ich verließ die Abtei und fuhr direkt nach Laigin. Den Brief nahm ich natürlich mit. Ich berichtete Abt Noé, was geschehen war. Das ist alles, was ich mit dieser Sache zu tun habe.«
»Noch ein paar Fragen. Wann hast du Dacán zuletzt lebend gesehen?«
»Gleich nach der Completa, dem letzten Gottesdienst des Tages. Kurz nach Mitternacht, würde ich sagen.«
»Wo hast du ihn gesehen?«
»In seinem Zimmer, als er mir den Brief übergab.«
»Und wo war dein Zimmer?«
»In dem Stockwerk über Dacáns.«
»Du hast also nichts gehört, nachdem du ihn verlassen hattest? Zu welcher Zeit war das?«
Assíd zog die Brauen zusammen und versuchte sich zu erinnern.
»Nach Mitternacht. Ich hörte nur noch etwas, als ich die Treppe hinaufging. Ich hörte, wie Dacán nach der jungen Novizin klingelte, die uns im Gästehaus bediente. Ich hörte, wie er zu ihr sagte, sie solle ihm Wasser bringen.«
»Du kannst jetzt abtreten, es sei denn, Forbassach will dir noch Fragen stellen.«
Forbassach hatte sich schnell mit dem grimmig dreinblickenden Abt Noé besprochen. Er antwortete, er habe keine Fragen an Assíd.
Fidelma wandte sich nun an den Oberrichter.
»Wir haben gehört, daß es Dacán gelungen war, den Aufenthalt der Erben Illans zu
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