03 - Tod im Skriptorium
wies auf ihn.
»Du kannst dem ehrenwerten Anwalt von Laigin glauben, wenn er sagt, daß Dacán und Laigin den Kindern Illans nicht schaden wollten«, meinte Fidelma. »Also hast du Dacán aus einer unbegründeten Furcht heraus umgebracht, Nechtan. Dacán suchte nach dir, weil Laigin deinen Anspruch auf die Königsherrschaft in Osraige unterstützen wollte. Man könnte deine Furcht als verständlich bezeichnen. Aber was deine Tat schändlicher macht, Nechtan, ist dein Versuch, eine Spur zu Schwester Grella zu legen.«
»Ich wußte, daß Schwester Grella mit Dacán zusammenarbeitete. Ich wußte auch, daß Grella Salbachs Geliebte war«, verteidigte sich Nechtan. »Als Midach abreiste, um meine Brüder zu retten, beschloß ich, uns alle zu retten. Wenn Grella des Mordes an Dacán beschuldigt würde, wäre das lediglich eine gerechte Vergeltung.«
»Du versuchtest das ganze Material zu vernichten, das Dacán gesammelt hatte und aus dem deine Identität und die deiner Brüder hervorging. Du wußtest aber nicht, daß Grella den Entwurf von Dacáns Brief an seinen Bruder an sich genommen hatte, um ihn Salbach zu zeigen. Außerdem hast du nicht darauf geachtet, daß ein Ogham-Stab in Dacáns Zimmer unter das Bett gerollt war. Du verrietest Entsetzen, als ich ihn fand. Deshalb mußtest du mir in die Bibliothek folgen, als ich ihn Grella brachte, damit du sicher wärst, daß er nichts preisgebe. Grella erkannte ihn und tat so, als stünde etwas ganz anderes darauf, um mich von der Spur abzulenken. Ich ließ den Stab in der Bibliothek, und später am Abend kehrtest du dorthin zurück und verbranntest ihn mit den anderen Ogham-Stäben, um deine Spuren zu verwischen.«
»Aber Dacán wurde gefesselt, bevor er getötet wurde«, wandte der Oberrichter ein. »Wie brachte der Junge das fertig?«
»Er wurde gefesselt, nachdem er getötet wurde, um Grella stärker zu belasten. Es war klar, daß er nicht vorher gefesselt wurde, denn die Stoffstreifen von Grellas Rock waren so mürbe, daß der Schwächste diese Fesseln hätte zerreißen können. Das merkte ich schon zu Anfang meiner Untersuchung und wußte, daß ich es mit einem sorgfältig ausgetüftelten Plan zu tun hatte.«
Fidelma sprach nun direkt zu Nechtan.
»Du mußt wohl den ganzen Rest der Nacht wach gelegen und über deine Tat nachgedacht haben. Dann hast du beschlossen, daß du nicht nur eine Spur legen mußt, die den Verdacht von dir weglenkt, sondern du wolltest auch, wie du zugegeben hast, Gerechtigkeit üben an einer Person, die du zu deinen Feinden zähltest.«
Nechtan stand da und schwieg.
»Du hast gewartet, bis die Glocke zur Frühmette rief, und beobachtet, wie Schwester Grella zum Gottesdienst ging. In der Hoffnung, daß noch niemand Dacáns Leiche entdeckt hatte, schlichst du dich in Grellas Zimmer und fandest einen alten Leinenrock, von dem du Streifen abreißen konntest. Es war das einzige unverwechselbare Kleidungsstück, das dir in die Hände fiel. Wahrscheinlich hast du gehofft, sie würde den Rock oft tragen und die fehlenden Streifen würden sofort auffallen. Dir war nicht klar, daß keine Nonne einen solchen Rock tragen würde und daß es einfach ein alter abgelegter Rock war.
Mit den Streifen gingst du in Dacáns Zimmer. Es war dunkel. Die Öllampe war leergebrannt. Also fülltest du sie auf und zündetest sie wieder an. Offensichtlich war noch niemand dagewesen. Dann bandest du Dacán an den Knöcheln und an den Händen. Um ihm die Hände auf dem Rücken zu binden, mußtest du die Leiche auf dem Bett umdrehen, mit der Brust nach unten, wodurch Blutflecke auf die Decke gerieten. Das erschien mir merkwürdig, denn Dacán lag mit dem Rücken auf dem Bett und hatte Wunden in der Brust, und das Blut befand sich auf der Decke unter der Leiche. Die Leiche war also zu irgendeinem Zweck bewegt worden. Danach gingst du fort, hast aber vergessen, die Lampe zu löschen. Eine halbe Stunde später kam Bruder Conghus. Deine falsche Fährte bewirkte damals nichts. Niemand war so erfahren, ihre Bedeutung zu erkennen. Sie ergab keinen Sinn, bis ich mehr als eine Woche später eintraf, um die Spur aufzunehmen.
Als ich von Sceilig Mhichil zurückkehrte und feststellte, daß verschiedene Gegenstände aus dem Beutel verschwunden waren, den ich bei Abt Brocc zurückgelassen hatte, begann ich zu ahnen, was geschehen sein könnte. Man hatte die Gegenstände gestohlen, die Hinweise auf die Söhne Illans enthielten. Geblieben waren die Beweisstücke, die Schwester Grella
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