03 - Tod im Skriptorium
Cass an.
»Warte hier auf mich, Cass. Es wird nicht lange dauern.«
Cass schien davon nicht gerade begeistert zu sein.
Der Seemann führte sie zum Heck des Schiffes und in eine Kajüte unter Deck. Sie war klein und eng und roch stark nach einem beengt lebenden Mann, Körpergeruch vermischte sich mit dem Gestank der Öllampen und anderen Gerüchen, die sie nicht identifizieren konnte. Einen Moment bedauerte sie, daß sie nicht an der frischen Luft auf Deck mit dem Kapitän sprach, aber sie wollte den neugierigen Ohren der Matrosen und Krieger entgehen.
»Lady.« Der Kapitän deutete auf den einzigen Stuhl in der engen Kajüte und warf sich auf ein Ende seiner Koje.
Fidelma ließ sich vorsichtig auf dem schmalen Holzstuhl nieder.
»Du hast einen Vorteil vor mir, Kapitän«, begann Fidelma, »Du kennst meinen Namen, aber ich weiß deinen nicht.«
Der Seemann grinste.
»Mugrón. Ein passender Name für einen Seemann.«
Fidelma mußte ebenfalls lächeln. Der Name bedeutete »Seehundjunge«. Dann kam sie zu dem Grund ihres Besuchs zurück.
»Also, Mugrón, zuerst möchte ich wissen, warum du hier in der Bucht von Ros Ailithir bist.«
»Ich bin hier auf Befehl meines Königs Fianamail von Laigin«, antwortete Mugrón.
»Das erklärt noch nichts. Bringst du Frieden oder Krieg?«
»Ich bin gekommen, um Abt Brocc von Ros Ailithir die Botschaft meines Königs zu übermitteln, daß er ihn für den Tod seines Vetters, des Ehrwürdigen Dacán, verantwortlich macht.«
»Die Botschaft hast du ausgerichtet. Was suchst du hier noch?«
»Ich soll hier warten, um sicherzustellen, daß Brocc zu gegebener Zeit die Verantwortung übernimmt. Mein König wünscht nicht, daß er aus Ros Ailithir verschwindet, bevor die Ratsversammlung des Großkönigs in Tara zusammentritt. Der Brehon meines Königs hat uns erklärt, daß dies nach dem Pfändungsrecht zulässig ist. Wie ich schon sagte, habe ich die Erlaubnis Salbachs, hier zu ankern.«
Fidelma erinnerte sich an ein Gesetz, das sie schon halb vergessen hatte, und erkannte, daß Mugróns Schiff vom Standpunkt dieses Gesetzes aus legal hier vor Anker lag. Juristisch gesehen war das Schiff vor der Abtei, um Brocc zu zwingen, seine Verantwortung für den Tod Dacáns zuzugeben, auch wenn er die Tat nicht selbst begangen hatte; und bis der Gegenbeweis angetreten wurde, durfte das Schiff hier liegen. Das Gesetz ging sogar noch weiter und berechtigte Abt Noé als den nächsten Verwandten Dacáns, ein rituelles Fasten gegen Brocc durchzuführen, bis er seine Schuld anerkannte.
»Du hast Brocc die Botschaft überbracht, als du hier ankamst. War das eine offizielle apad – die Ankündigung dieses Verfahrens?«
»Das war es«, bestätigte Mugrón. »Es wurde entsprechend den Anweisungen des Brehons meines Königs vollzogen.«
Fidelma preßte ärgerlich die Lippen zusammen.
Sie hätte die Situation schon früher erkennen müssen, als sie das Bündel verschlungener Weiden- und Espenzweige sah, das am Tor der Abtei hing. Dies war das Zeichen eines Pfändungsverfahrens gegen einen Klostervorsteher. Es war lange her, daß sie auf den als Di Chetharshlicht Athgabála bekannten Gesetzestext zurückgreifen mußte, der das komplizierte Vorgehen bei Pfändungen regelte. Sie erinnerte sich nur noch, daß man bei diesem Gesetz drei Fehler machen durfte, ohne eine Geldstrafe zahlen zu müssen, weil es so kompliziert war. Sie gestand sich als ihren ersten Fehler zu, daß sie das Pfändungsrecht vergessen hatte.
Das wettergebräunte Gesicht des Seemanns verzog sich spöttisch, während er ihr Mienenspiel beobachtete.
»Der König von Laigin achtet das Gesetz höher als alles andere, Lady«, erklärte er mit sanfter Bosheit.
»Über das Gesetz will ich auch mit dir reden, nachdem ich nun weiß, weshalb du hier bist«, entgegnete Fidelma lebhaft.
»Was soll ein einfacher Seemann wie ich schon vom Gesetz wissen?« konterte Mugrón. »Ich tue, was mir befohlen wird.«
»Du hast zugegeben, daß du hier als Ausführender des Gesetzes auftrittst, nach Anweisungen des Brehons deines Königs«, erwiderte Fidelma rasch. »Dafür verstehst du genug vom Gesetz.«
Mugróns Augen weiteten sich, als er sah, daß sie sich nicht einschüchtern ließ, und dann grinste er. »Na gut. Worüber willst du mit mir sprechen?«
»Eine Glaubensschwester wurde neben deinem Schiff aus dem Wasser gezogen. Sie war tot.«
»Einer meiner Männer hat mir den Vorfall gemeldet«, bestätigte Mugrón. »Es passierte kurz vor
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