03 - Winnetou III
Sammlung von allen möglichen Mobiliar- und Ausstattungsgegenständen förmlich überladen war. Doña Elvira mußte unbedingt ein Zimmer haben, ein schön und reich möbliertes Zimmer, und sie hatte es sich auch möbliert und ausgestattet, daß man von der Wand nicht die Breite eines Zolls zu finden vermochte. Sie saß auf einem Sofa, sich mit der Hand auf eine Landkarte stützend, welche über die Seitenlehne herunterhing; auf ihrem Schoß lag eine Gitarre, neben ihr eine angefangene Stickerei, und vor ihr stand eine Staffelei, nota bene zwischen ihr und dem Fenster, so daß von Licht keine Rede war, und auf dem aufgeklebten weißen Bogen bemerkte ich zwei angefangene Skizzen; die eine sollte, wenn ich mich nicht irre, den Kopf eines Katers oder einer alten Frau vorstellen, der die Morgenhaube noch fehlte; und die andere war jedenfalls eine zoologische, nur konnte ich den Gegenstand nicht so recht klassifizieren. Entweder sollte diese Zeichnung einen Pottwal in homöopathischer Verdünnung oder einen Bandwurm in hydrooxygengasmikroskopischer Verdickung darstellen.
Ich verbeugte mich sehr tief und sehr devot. Sie schien dies nicht zu bemerken, sondern hielt ihr Auge starr auf einen Punkt des Plafond gerichtet, an welchem ich nicht das mindeste entdecken konnte. Plötzlich aber warf sie den Kopf mit einem schnellen Ruck herum und fragte:
„Wie weit ist der Mond von der Erde entfernt?“
Diese Frage überraschte mich nicht; ich hatte eine solche Extravaganz erwartet. Aber – kommst du mir so, so komme ich dir so.
„Zweiundfünfzigtausend Meilen, nämlich montags; sonnabends aber, in der Erdnähe, nur fünfzigtausend.“
„Richtig!“
Sie studierte den betreffenden Punkt von neuem; dann erfolgte derselbe plötzliche Ruck zu mir herum, und sie fragte:
„Woraus werden die Rosinen gemacht?“
„Aus Weintrauben!“
„Sehr richtig!“
Der unglückliche Punkt mußte zum drittenmal herhalten, dann schleuderte sie mir die Frage entgegen:
„ Was ist Poil de chèvre?!“
„Ein Kleiderstoff, fünfzehn Ellen für den Escudo d'oro, wird aber jetzt nicht mehr viel getragen.“
„Richtig! Und nun seid mir willkommen, Señor! Augusta bat mich um meine Gunst für Euch; ich bin aber damit nicht sehr verschwenderisch und pflege jeden, der sich um dieselbe bewirbt, einem Examen zu unterwerfen. Ihr Deutschen seid wegen eurer Gelehrtheit bekannt, darum habe ich Euch aus verschiedenen Gebieten des menschlichen Wissens die schwierigsten Fragen hervorgesucht, und Ihr habt trefflich bestanden, obgleich Ihr eher das Aussehen eines Bären als eines Gelehrten habt. Aber Augusta sagte mir, daß Ihr viele Schulen besucht und alle Länder und Völker kennengelernt habt; setzt Euch nieder, Señor!“
„Danke, Doña Elvira de Gonzalez!“ antwortete ich, sehr bescheiden auf der Ecke eines Stuhles Platz nehmend.
„Ihr wünscht, in meinem Haus zu logieren?“
„Ja.“
„Ihr dürft es, denn Ihr seid ein sehr höflicher Mann, wie ich sehe, und auch Euer Äußeres wird ein anständigeres werden, wenn Ihr Euch ein wenig Mühe gebt. Wart Ihr in Spanien?“
„Ja.“
„Was sagt Ihr zu dieser Karte, die ich über mein Vaterland entworfen habe?“
Sie reichte mir das Blatt hin. Es war durch Seidenpapier nachgezeichnet und zwar nach einem schlechten Original.
„ Sehr genau , Doña Elvira de Gonzales !“
Sie nahm mein Lob als ein höchst selbstverständliches entgegen.
„Ja, wir Damen haben uns endlich emanzipiert, und unser größter Triumph ist es, in die Tiefen der Wissenschaft einzudringen und es auch in den schönen Künsten den Männern zuvorzutun. Seht Euch diese beiden Gemälde an; sie sind unübertrefflich in der Grandiosität des Objektes. Diese Feinheit der Linien, diese Schattierung, dieser Reflex des Lichtes! Ihr seid ein Kenner, aber dennoch muß ich Euch prüfen. Was stellt hier dieses vor?“
Ich hätte eine schmähliche Niederlage erlitten, wenn mir nicht die ‚Grandiosität des Objektes‘ einen deutlichen Fingerzeig gegeben hätte. Darum antwortete ich mit kalter Verwegenheit:
„Die Seeschlange natürlich!“
„Richtig! Zwar hat sie noch niemand deutlich gesehen, aber wenn der Geist des Forschers Räume mißt, in die er niemals dringen kann, so ist es auch dem Auge des Künstlers gegeben, Gestalten zu erfassen, die er noch nicht erblicken konnte. Und diese Zeichnung?“
„Ist der Gorilla des berühmten Du Chailly.“
„Richtig! Ihr seid der gelehrteste Mann, der mir vorgekommen ist, denn noch
Weitere Kostenlose Bücher