03 - Winnetou III
bräunlich grün ohne alle Schattierung, ohne eine Spur von dunklerer Färbung an den Wangen, hellerer Farbe der Stirn; überall sieht man in den häßlichen, nichtssagenden Zügen den Ausdruck, den man mit dem Wort leer bezeichnen möchte und der infolgedessen nicht einmal ein Ausdruck wäre, wenn nicht aus den zugeblinzelten Augen ein Etwas blickte, welches sie alle kennzeichnet: die List.
Die Chinesen sind die fleißigsten, man möchte sagen, die einzigen Arbeiter San Franciscos. Diese kleinen, runden, wohlgenährten und dabei doch außerordentlich beweglichen Gestalten besitzen eine seltene Anlage für alle nur erdenkliche Art von Verrichtung und besonders eine ebenso große Fertigkeit in allen erdenklichen Arbeiten, bei denen es auf Geschicklichkeit der Hände und auf Geduld ankommt. Sie schnitzen in Elfenbein oder Holz, drechseln in Metall, sticken auf Tuch, Leder, Baumwolle, Leinen und Seide; sie stricken und weben, zeichnen und malen, klöppeln und posamentieren; sie flechten die scheinbar unschmiegsamsten Dinge zusammen und bringen seltsame bewundernswerte Arbeiten hervor, die ihnen die Kundschaft alle Kuriositätensammler sichern.
Dazu kommt, daß sie bescheiden sind und mit dem kleinsten Profit fürlieb nehmen. Sie fordern zwar unverschämt, aber man weiß, daß sie mit sich handeln lassen und zuschlagen werden, wenn man ihnen ein Drittel oder gar ein Viertel ihrer Forderung bietet. Auch der Taglohn, welchen man ihnen zahlt, ist geringer, als derjenige, welchen man einem Weißen gibt; allein derselbe ist doch noch zehnmal höher, als in ihrem Vaterland, und da sie wenig ausgeben, weil sie über alle Begriffe genügsam und sparsam leben, so kommen sie sehr gut voran. Die sämtlichen kleinen Handwerke sind in ihren Händen, und sowohl die Wäsche als auch die Bedienung des Hauses und der Küche wird von ihren Weibern besorgt.
Aber nicht bloß die Chinesen sind tätig, sondern fabelhaft ist überhaupt die Geschäftstätigkeit aller Bewohner der Stadt. Die Leute haben alle nur einen Zweck: sie wollen Geld verdienen, und zwar möglichst viel und schnell. Alle wissen, daß Zeit Geld ist und daß, wer den andern aufhält sich selbst hinderlich ist. Aufgehalten aber will niemand sein, und darum geht stets alles ohne Stockung ab. Jeder bemüht sich soviel wie möglich, dem andern aus dem Weg zu gehen, um für sich selbst freie Bahn zu haben.
So ist es in den Häusern und Höfen, so ist es auch auf den Straßen und Plätzen der Stadt. Die blasse, schmächtige Amerikanerin, die stolze, schwarzäugige Spanierin, die blonde Deutsche, die elegante Französin, die farbigen ‚Damen‘ alle, sie gehen, schweben, eilen, trippeln hin und her; der reiche Bankier mit Frack, Handschuh und Zylinder trägt in der einen Hand einen Schinken und in der andern einen Gemüsekorb; der Ranchero schwingt ein Netz mit Fischen über die Schulter, um damit den Festtag zu feiern; ein Milizoffizier hält einen gemästeten Kapaun gefangen; ein Quäcker hat einige mächtige Hummern in die gleich einer Schürze aufgerafften Schöße seines langen Rockes verpackt – und das alles bewegt sich neben-, vor-, hinter- und durcheinander, ohne sich zu stören.
Wir kamen bei unserm Einzug in die Metropole des Goldlandes unbehelligt und unbelästigt durch dieses Gewimmel und Getümmel bis in die Sutterstreet wo wir sehr bald das Hotel Valladolid fanden. Es war ein Hotel im kalifornischen Stil und bestand aus einem langen, tiefen und einstöckigen Brettergebäude, ganz ähnlich den Eintags-Trinkbuden, welche man auf unseren Schützenfesten findet.
Wir übergaben unsere Pferde dem Horsekeeper, welcher sie in einen kleinen Schuppen brachte; wir selbst aber traten in die Gaststube, die trotz ihrer ungeheuren Größe doch so voll war, daß wir kaum einen Tisch für uns zu erobern vermochten. Ein Barkeeper hatte uns bemerkt und kam herbei. Wir bestellten – jeder nach seinem Appetit und als das Verlangte gebracht wurde, begannen auch sofort meine Erkundigungen:
„Ist Master oder Señor Henrico Gonzalez zu sprechen?“
„Yes, Sir. Wünscht Ihr ihn?“
„Ja, wenn ich bitten darf!“
Ein hoher, ernster Spanier kam auf uns zu und stellte sich als Señor Henrico vor.
„Könnt Ihr uns nicht sagen, ob ein gewisser Allan Marshal noch bei Euch boardet?“ fragte ich ihn.
„Weiß nicht, Señor, kenne ihn nicht, kenne keinen, bekümmere mich überhaupt ganz und gar nicht um die Namen meiner Gäste. Das gehört zum Ressort der Señora.“
„Ist
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