03 - Winnetou III
bald Täler zu durchreiten und bald kurze Wald- oder Savannenstrecken zu durchschneiden. Nach einer Rast, welche wir am Morgen hielten, folgten wir der eingeschlagenen Richtung, bis wir das Tal des Sacramento vor uns sahen.
Wir ritten in dasselbe hinab. Grad vor uns lag an einer Stelle, von welcher aus sich links und rechts ein Seitental in die Berge zog, ein aus Erdmauern, die mit Brettern verkleidet waren, aufgeführtes Haus, dessen Türüberschrift es als ‚Hotel‘ bezeichnete. Der Besitzer desselben hatte einen sehr günstigen Punkt für seine Niederlassung gewählt; das zeigte die Frequenz, deren er sich zu erfreuen haben mochte, denn vor dem Haus stand eine Menge von Karren, Reit- und Lasttieren, und das Innere desselben mochte wohl nicht alle Gäste fassen, da die im Freien angebrachten Tische und Bänke sehr zahlreich besetzt waren.
„Gehen wir dorthinein, um uns zu erkundigen?“ fragte mich Sam.
„Hast du noch Nuggets für Ale aus Burton in Staffordshire?“ entgegnete ich ihm lachend.
„Habe noch einige von dieser Sorte.“
„So gehen wir hinein!“
„Hinein nicht, sondern bloß hin, wenn es dir gefällig ist; denn ich liebe zum Beispiel nichts so sehr wie eine Handvoll freier, frischer Luft.“
Wir ritten hinzu, banden unsere Pferde an und setzten uns in einen Bretterverschlag, über welchem die stolze Inschrift ‚Veranda‘ prangte.
„Was trinken die Herren?“ fragte der herbeieilende Ganymed.
„Bier. Was kostet es?“
Aha, der gute Sam war heute vorsichtiger als damals im Yellow-water-ground.
„Porter einen halben Dollar. Ale ebenso.“
„Dann Porter!“
Er brachte vier Flaschen und eben wollte trotz seiner Eilfertigkeit Sam die Erkundigungen beginnen, als ich einen Blick durch das Loch warf, welches auf der Straßenseite als Fenster diente, und ihm schleunigst einen Wink gab.
Das eine Seitental herab kamen nämlich sechs Reiter, von denen zwei vier Maultiere am Zügel führten, und der vorderste war kein anderer als Patrik Morgan. Sie hielten auf das ‚Hotel‘ zu, banden ihre Tiere an und setzten sich dann an einen Tisch, welcher draußen unter unserm Fenster stand. Besser und bequemer konnten wir es uns ja gar nicht wünschen!
Aber warum waren ihre Maultiere nicht mehr beladen? Sicher hatten sie die geraubten Gegenstände in irgendeinem Versteck untergebracht und begaben sich nun nach dem Stelldichein, an welchem sie mit ihren Gefährten zusammentreffen wollten.
Sie bestellten Brandy und begannen dann ihre Unterhaltung, von welcher wir jedes Wort verstanden.
„Ob wir Euern Vater und den Kapitän schon treffen werden?“ fragte der eine.
„Möglich“, antwortete Patrik. „Sie konnten rascher reiten als wir, und werden mit diesem Marshal wohl leicht fertig geworden sein. Er hatte ja bloß zwei Begleiter.“
„Ein höchst unvorsichtiger Mensch; solche Schätze bei sich führen und nur zu dreien reisen!“
„Desto besser für uns! Unvorsichtig scheint er überhaupt stets gewesen zu sein, sonst hätte er im Yellow-water-ground nicht seinen geschriebenen Reiseplan weggeworfen. Aber, alle Teufel, was ist denn das?“
„Was?“
„Seht Euch einmal dort die vier Pferde an!“
„Drei prächtige Tiere, aber das vierte ist ja ein wahres Unikum. Welcher vernünftige Mensch setzt sich auf eine solche miserable Kreatur!“
Sam ballte die Faust.
„Werde euch bekreaturen, daß euch zum Beispiel die Seele aus der Haut fahren soll!“ brummte er.
„Ja, ein Unikum ist es allerdings, dieses Pferd; trotz seines häßlichen Aussehens ist es eines der bekanntesten und berühmtesten Pferde des wilden Westens. Wißt Ihr, wem es gehört?“
„Nun?“
„Sans-ear.“
„Alle Wetter! Der soll allerdings einen solchen Ziegenbock reiten!“
„Dieser Kerl ist also wirklich hier! Trinkt aus! Ich habe einmal ein kleines Zusammentreffen mit ihm gehabt und mag mich nicht von ihm erkennen lassen!“
„Wirst es aber doch nicht umgehen können“, murmelte Sam. Die sechs stiegen auf und ritten talabwärts davon.
„Das sind die Männer, welche wir suchen“, erklärte ich dem Shoshonen. „Meine beiden roten Brüder werden sie überholen, und ich folge mit Sam nach. Dann nehmen wir sie zwischen uns.“
„Uff!“ antwortete er und stand auf.
Er und Winnetou stiegen zu Pferde. Sam bezahlte das Porterbier, welches gar nicht so übel gewesen war, und dann ritten wir hinterdrein, uns immer so haltend, daß wir vor den Blicken der Verfolgten gedeckt waren.
Die Gegend wurde schnell
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