03 - Winnetou III
hinzu. Der da neben der Hütte lag, war tot; eine Kugel war ihm in die Brust gegangen. Es war ein Weißer, und er sah Bernard so ähnlich wie ein Bruder dem andern – ich wußte alles!
Auch die andern kamen herbei. Keiner sprach ein Wort. Bernard kniete lautlos neben dem Ermordeten, küßte ihn auf die Lippen, Stirn und Wangen, streichelte ihm das wirre Haar aus dem Gesicht und schlang die Arme um seinen Nacken. Dann erhob er sich.
„Wer hat ihn getötet? “ fragte er.
Der Häuptling antwortete:
„Ko-tu-cho sandte seine Krieger aus, ihre Rosse zu üben; da sahen sie drei Bleichgesichter kommen und hinter ihnen andere Bleichgesichter als Verfolger. Wenn vierzehn Männer drei Männer verfolgen, so sind die vierzehn Männer nicht gut und tapfer; daher eilten die roten Krieger den dreien entgegen, um ihnen zu helfen. Aber die vierzehn schossen auf die Weißen, und dieses Bleichgesicht wurde getroffen. Da nahmen die roten Krieger elf gefangen und drei entkamen. Dieses Bleichgesicht aber starb in ihren Armen, und die beiden, die mit ihm waren, ruhen aus auf den Matten des Wigwams!“
„Ich muß sie sehen, auf der Stelle! Dieser Tote ist mein Bruder, ist der Sohn meines Vaters“, fügte Bernard hinzu, an die weitere Bedeutung denkend, welche bei den Wilden das Wort Bruder hat.
„Mein weißer Bruder ist gekommen mit Winnetou und Sans-ear, den Freunden der Shoshonen, darum wird Ko-tu-cho tun, was er begehrt. Er folge mir!“
Wir wurden in ein großes Zelt geführt, in welchem die Gefangenen lagen, mit Riemen an Händen und Füßen gebunden. Der Mulatte war dabei: er hatte eine Narbe über die rechte Wange. Die beiden Morgans waren nicht zu sehen.
„Was werden meine roten Brüder mit diesen Bleichgesichtern tun?“ fragte ich.
„Mein weißer Bruder kennt sie auch?“
„Ich kenne sie; es sind Räuber, welche den Tod vieler Männer auf ihrem Gewissen haben.“
„So mögen meine weißen Brüder über sie richten.“
Ich tauschte mit den andern einen Blick des Einverständnisses und antwortete:
„Sie haben den Tod verdient, doch fehlt uns die Zeit, sie zu richten. Wir übergeben sie unseren roten Brüdern.“
„Mein Bruder tut recht daran!“
„Wo sind die beiden Weißen, welche bei dem Toten waren?“
„Meine Brüder mögen mir folgen!“
Wir wurden in ein zweites Zelt geführt, in welchem zwei Männer im Schlafen lagen; sie waren wie Tropeiros gekleidet. Sie wurden geweckt, aber ihre Antworten überzeugten uns, daß sie in einem rein dienstlichen Verhältnis zu Allan gestanden hatten und uns nur über Äußerlichkeiten Auskunft erteilen konnten. Wir kehrten wieder zu dem Toten zurück.
Bernard hatte während der letzten Monate eine harte Schule durchgemacht; er war äußerlich und innerlich stärker geworden, aber seine Hände zitterten dennoch, als er die Taschen des so lange gesuchten Bruders untersuchte. Er entnahm ihnen alles, was sie enthielten. Er betrachtete jeden einzelnen der ihm bekannten Gegenstände, und als er das Taschenbuch aufschlug und die lieben Schriftzüge erblickte, küßte er die Blätter und brach in ein bitteres Schluchzen aus. Ich stand neben ihm und konnte nicht verhindern, daß auch mir die Tränen über die Wangen rannen.
Die Shoshonen standen dabei, und in den Mienen des Häuptlings zuckte es wie Verachtung über unsere Schwäche. Winnetou mochte das nicht leiden; er deutete auf uns:
„Der Häuptling der Shoshonen denke nicht, daß diese Männer Weiber sind. Der Bruder dieses Toten hat gekämpft mit den Pfahlmännern und Comanchen und eine starke Hand gezeigt, und mein roter Bruder kennt dieses Bleichgesicht: es ist Old Shatterhand.“
Ein leises Gemurmel durchlief die Reihen der Schlangen-Indianer, und ihr Häuptling trat näher und bot uns seine Hand.
„Dieser Tag wird gefeiert werden in allen Wigwams der Shoshonen. Meine Brüder werden bleiben in unsern Hütten; sie werden von unserm Fleisch essen, die Pfeife der Freundschaft mit uns trinken und schauen die Spiele unserer Krieger.“
„Die weißen Männer sind die Gäste der roten Brüder, aber nicht heut, sondern sie werden wiederkommen. Sie werden zurücklassen die Leiche und die Habe ihres erschlagenen Bruders und sofort nachjagen den entflohenen Mördern“, antwortete ich.
„Ja“, bestätigte Bernard, „ich lasse Allan und seine Diener hier zurück und werde keine Minute länger warten. Wer geht mit zur Verfolgung?“
„Wir alle natürlich!“ meinte ich.
Auch Winnetou und Sam schritten zu
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