03 - Winnetou III
Schuß krachte, und die Kugel fuhr durch den Ärmel meines Jagdrockes.
„Hurra, hier ist Old Shatterhand!“ rief ich.
Der Lasso sauste; mein Pferd warf sich herum und galoppierte rückwärts; ich fühlte einen starken Ruck, doch lange nicht so stark wie damals bei der Büffelkuh des ehrenwerten Don Fernando de Venango e Colonna de Molynares de Gajalpa y Rostredo, und blickte um mich. Die Schlinge hatte ihm beide Arme an den Leib gezogen und riß ihn hinter mir her. Zu gleicher Zeit sah ich, daß auch Sam mit den beiden andern den Platz erreicht hatte. Der dritte Räuber schoß auf Bernard, wurde aber in einem und demselben Augenblick von der Kugel Sams und dem Tomahawk des Häuptlings niedergestreckt.
Ich sprang ab. Endlich, endlich hatten wir Fred Morgan! Er war durch den Sturz vom Pferd betäubt. Ich nahm meinen Lasso von ihm ab und band ihn mit seinem eigenen. Nun waren auch die anderen da. Bob war der erste, der vom Pferd sprang; er zog das Messer.
„Oh, ah, da sein Nigger Bob mit Messer, der stechen langsam zu Tod schlecht' bös' Räuber und Mörder!“
„Stopp!“ rief Sam, ihn bei der Hand erfassend. „Dieser Mann ist mein!“
„Sind die andern tot?“ fragte ich.
„Beide!“ antwortete Bernard, dem das Blut von seinem rechten Schenkel niederlief.
„Seid Ihr verwundet?“
„Bloß gestreift.“
„Das ist trotzdem schlimm, da wir noch einen weiten Ritt vor uns haben. Wir müssen ja den Maultieren nach! Was tun wir mit Morgan?“
„Er ist mein“, antwortete Sam, „und so habe ich über ihn zu bestimmen. Ich übergebe ihn Master Bernard und Bob, die ihn nach dem Lager der Shoshonen bringen und dort bewachen, bis wir zurückkehren. Bernard ist verwundet und hat zum Beispiel mit seinem Bruder zu schaffen; Bob muß bei ihm sein, und wir vier sind, wie ich denke, Manns genug für die sechs Männer bei den Maultieren.“
„Der Plan ist gut, also rasch!“
Morgan wurde sorgsam auf sein Pferd gebunden; Bernard und Bob nahmen den Gefangenen in ihre Mitte und kehrten nach dem Lager der Shoshonen zurück. Wir aber blieben, um unsere Pferde zunächst verschnaufen und ein wenig weiden zu lassen.
„Lange dürfen wir nicht verweilen“, meinte ich. „Wir müssen den Tag noch benutzen, um vorwärts zu kommen.“
„Wohin gehen meine Brüder?“ fragte Ko-tu-cho.
„Nach dem Wasser des Sacramento zwischen den Bergen von San John und San Josef“, antwortete Sam.
„So mögen sie nicht Sorge haben! Der Häuptling der Shoshonen kennt jeden Schritt des Weges nach diesem Wasser. Sie können Tiere grasen lassen und dann des Nachts reiten.“
„Wir hätten diesen Morgan doch nicht so schnell fortschicken, sondern ihn erst ausfragen sollen“, bemerkte Sam.
„Warum?“
„Wir könnten ihn verhören.“
„Das werden wir später tun, oder vielmehr, das brauchen wir gar nicht zu tun. Seine Schuld ist zehnmal erwiesen.“
„Aber wir könnten von ihm erfahren, wo er mit den Maultieren zusammentreffen wollte!“
„Pshaw! Glaubst du wirklich, daß er uns das gesagt hätte?“
„Möglich!“
„Nein. Er wird uns seinen Sohn und die geraubten Schätze nicht an das Messer liefern, besonders da er genau weiß, daß er damit sein Schicksal nicht zu ändern vermag.“
„Mein Bruder Scharlih hat recht!“ bestätigte auch Winnetou. „Und die Augen der roten und weißen Jäger sind scharf genug, um zu finden die Spuren der Maultiere.“
Da hatte er allerdings nicht ganz unrecht, doch hätten wir sicher Zeit erspart, wenn wir den Ort erfahren könnten.
„Wen suchen meine Brüder?“ fragte der Shoshone, ganz gegen die sonstige Gewohnheit dieser Leute, welche Fremden gegenüber niemals Neugierde verraten. Hier aber befand er sich bei Männern, die er sich ebenbürtig dachte, und konnte also von der sonst gebotenen Zurückhaltung abweichen.
„Die Gefährten der Räuber, welche von den Kriegern der Shoshonen gefangen wurden.“
„Wie viele sind es?“
„Sechs.“
„Die wird ein einzelner meiner Brüder töten. Wir werden sie finden und zu den übrigen versammeln.“
Als die Dämmerung hereinbrechen wollte, waren unsere Pferde so frisch, daß wir sie von neuem anstrengen durften. Wir saßen auf und überließen uns der Führung des Häuptlings, welcher während des Abends und der ganzen Nacht uns voranritt und dabei eine Sicherheit bekundete, die uns die Wahrheit seiner Worte bewies, daß er jeden Schritt des Weges kenne.
Die Prärie lag längst hinter uns. Wir hatten bald Berge zu erklimmen,
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