03 - Winnetou III
an! Ich pflocke oder hobbele sie nie an; sie ist ein glorios kluges Viehzeug und hat eine Nase, auf die ich mich verlassen kann. Habt Ihr einmal ein Pferd gesehen, welches nicht schnaubt, wenn es einen Feind wittert?“
„Nein.“
„Nun seht, es gibt auch nur ein einziges, und das ist die Tony. Das Schnauben warnt zwar den Herrn des Pferdes, aber es verrät auch zweierlei, nämlich erstens, wo sich Pferd und Mann befinden, und zweitens, daß der Mann eben gewarnt worden ist Daher hab ich es der Tony abgewöhnt und das gescheite Viehzeug hat mich sehr verstanden. Ich lasse sie stets frei grasen, und sobald sie eine Gefahr wittert kommt sie herbei und stößt mich mit dem Maul.“
„Und wenn sie einmal, wie zum Beispiel heute, nichts bemerkt?“
„Pshaw! Die Luft kommt gerade von den Indsmen her, und ich lasse mich von Euch auf der Stelle erschießen, wenn Tony nicht jede Rothaut auf tausend Schritte ankündigt. Übrigens haben diese Kerls Augen wie die Adler, und selbst wenn Ihr Euch der Länge nach auf den Damm legt, ist es möglich, daß sie Euch von weitem bemerken. Also bleibt nur ruhig hier, Charley!“
„Ihr habt recht und ich will der Tony einmal ebenso vertrauen wie Ihr. Ich kenne sie noch nicht lange, aber ich habe doch beinahe schon die Überzeugung, daß man sich auf sie verlassen kann.“
Ich langte wieder eine meiner ‚Selbstgefertigten‘ hervor und steckte sie in Brand. Sam riß die kleinen Augen so weit wie möglich auf und tat mit dem Mund ganz dasselbe. Seine Nasenflügel erweiterten sich und sogen den Duft des Krautes begierig ein, während ein vollständiges Entzücken seine Züge verklärte. Der Westmann kommt nicht oft in die Lage, einen guten Tabak zu kosten, und ist doch gewöhnlich dem Rauchen mit höchster Leidenschaft ergeben.
„O wonderful –! Charley – –! Ist's möglich, Ihr habt Cigarren?“
„Das versteht sich! Wohl noch ein Dutzend. Wollt Ihr eine?“
„Her damit! Ihr seid ein Kerl, vor dem man einen ganzen Kürbis (Trapperausdruck für: sehr viel) voll Achtung haben muß!“
Er brannte die seinige an der meinigen an, verschlang nach indianischer Gewohnheit den Rauch von einigen Zügen und blies ihn dann wieder aus dem Magen empor. Sein Gesicht zeigte dabei eine Verklärung, als sei er bis in den siebenten Himmel Mohammeds emporgestiegen.
„Hang sorrow, ist das ein Vergnügen! Soll ich raten, was es für eine Sorte ist Charley?“
„Ratet einmal! Seid Ihr ein Kenner?“
„Will es meinen!“
„Nun?“
„Goosefoot aus Virginien oder Maryland!“
„Nein!“
„Was! Dann irrte ich mich zum erstenmal. Es ist Goosefoot denn diesen Geruch und diesen Geschmack kenne ich!“
„Es ist keiner!“
„Dann ist es sicher brasilianischer Legittimo!“
„Auch nicht!“
„Curassao aus Bahia?“
„Wieder nicht!“
„Nun, was denn?“
„Seht Euch die Cigarre an!“
Ich zog noch eine hervor, drehte sie auf und reichte ihm dann Deckblatt, Umblatt und Einlage herüber.
„Seid Ihr verrückt, Charley, daß Ihr eine solche Cigarre zu Schanden macht! Jeder Fallensteller gibt Euch unter Umständen, wenn er nämlich lange nicht geraucht hat, fünf bis acht Biberfelle dafür!“
„Ich werde in zwei oder drei Tagen wieder neue bekommen.“
„In drei Tagen –? Neue –? Woher denn?“
„Aus meiner Fabrik.“
„Was! Ihr habt eine Cigarrenfabrik?“
„Ja.“
„Wo denn?“
„Dort!“
Ich zeigte auf meinen Mustang.
„Charley, ich bitte Euch, macht mir nur dann einen Witz, wenn er zum Beispiel etwas taugt!“
„Es ist kein Witz, sondern Wahrheit.“
„Hm! Wenn Ihr nicht Old Shatterhand wäret, so dächte ich wirklich, daß es in Eurem Kopf etwas zu viel oder etwas zu wenig gibt!“
„Seht Euch erst den Tabak an!“
Er tat es mit aller Sorgfalt.
„Kenne ich nicht. Aber gut ist er, ausgezeichnet gut.“
„So will ich Euch meine Fabrik zeigen.“
Ich ging zu meinem Mustang, lockerte den Sattel und zog unter demselben ein kleines Kissen hervor, welches ich öffnete.
„Da, greift hinein!“
Er zog eine Hand voll Blätter hervor.
„Charley, macht mich nicht zum Narren! Das sind ja lauter Kirschen- und Lentiskenblätter!“
„Richtig! Ein wenig wilder Hanf dabei, und das Deckblatt hier ist weiter nichts als eine Ochsenzungenart, die Ihr hier wohl Verhally nennt. Dieses Kissen ist wirklich meine Tabakfabrik! Finde ich eine Sorte von diesen Blättern, so sammle ich sie nach Bedarf, stecke sie in das Kissen und lege dasselbe unter den
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