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03 - Winnetou III

03 - Winnetou III

Titel: 03 - Winnetou III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Westen hin einen Ausgang aus dem Kessel brach.
    Bei dem Anblick dieses Talkessels hielten wir überrascht unsere Pferde an. Diese Überraschung galt jedoch nicht dem Tal selbst, sondern etwas anderem. Die uns gegenüberliegende Höhe war nämlich entwaldet und bestand aus Feldern, während im Tal Pferde, Rinder, Schafe und Ziegen weideten. Am Fuß der Höhe lagen fünf große Blockhäuser mit Nebenhütten, unsern deutschen Bauernhöfen ähnlich, und ganz oben auf der höchsten Spitze stand ein kleines Kapellchen, über welches sich ein mächtiges Kreuz mit dem aus Holz geschnitzten Bild des Erlösers erhob.
    Neben diesem Kapellchen bemerkten wir mehrere Personen, welche uns aber nicht zu sehen schienen. Sie blickten gegen Westen, wo der Sonnenball sich immer tiefer senkte, und als er das Wasser des Flüßchens, welches er mit den herrlichsten Tinten färbte, erreicht zu haben schien, erklang von oben herab der silberne Ton eines Glöckchens.
    Hier, mitten im wilden Westen, im tiefen Urwald das Bild des Gekreuzigten! Mitten zwischen den Kriegspfaden der Indianer eine Kapelle! Ich nahm den Hut herunter und betete, wurde aber von dem Indianer unterbrochen.
    „Ti ti – was ist das?“ fragte er.
    „Ein Settlement (Niederlassung) natürlich“, antwortete Walker sehr weise.
    „Uff! Winnetou sieht die Niederlassung; aber welcher Klang ist das?“
    „Das ist die Vesperglocke. Sie läutet das Ave Maria.“
    „Uff!“ meinte der Apache erstaunt. „Was ist Vesperglocke? Was ist Ave Maria?“
    „Warten!“ sagte Fred, welcher sah, daß ich die Hände gefaltet hatte.
    Als der letzte Schlag des Glöckleins verklungen war, ertönte plötzlich ein vierstimmiger Gesang vom Berg herab. Ich horchte empor, erstaunt ob des Gesanges an und für sich, noch erstaunter aber über die Worte desselben:
    „Es will das Licht des Tages scheiden; Nun bricht die stille Nacht herein.
Ach, könnte doch des Herzens Leiden
So, wie der Tag vergangen sein!
Ich leg mein Flehen dir zu Füßen,
O trag's empor zu Gottes Thron,
Und laß, Madonna, laß dich grüßen
Mit des Gebetes frommem Ton:
Ave, ave Maria!“
    Was war denn das? Das war ja mein eigenes Gedicht, mein Ave Maria! Wie kam dies hierher in die Wildnis des Felsengebirges? Ich war zunächst ganz perplex; dann aber, als die einfachen, ergreifenden Harmonien wie ein unsichtbarer Himmelsstrom vom Berg herab über das Tal hinströmten, da überlief es mich mit unwiderstehlicher Gewalt; das Herz schien sich mir ins Unendliche ausdehnen zu wollen, und es flossen mir die Tränen in großen Tropfen von den Wangen herab.
    In Chicago und vor einer Reihe von Jahren war es gewesen, daß mich ein Freund, welcher Musikdirektor war, um den Text zu einem dreistrophigen Ave Maria gebeten hatte. Ich war natürlich sofort bereit gewesen, diesen Wunsch zu erfüllen, und als ich später in einem Konzert seine Kompositionen singen hörte, fühlte ich, daß er ein Meisterstück geliefert hatte. Die Zuhörerschaft belohnte den Vortrag mit einem solchen Applaus, daß das Ave Maria noch zweimal da capo gegeben wurde.
    Und jetzt hörte ich diese Komposition des Freundes zum zweitenmal, und zwar an einem Ort, an welchem ich kaum die Gegenwart eines Indianers, noch viel weniger aber die Anwesenheit eines so gut geschulten Doppelquartetts vermuten konnte. Als ich die letzten Töne über dem Tal verklingen hörte, riß ich die Büchse von der Schulter, feuerte die beiden Läufe schnell hintereinander ab und gab dem Schwarzschimmel die Sporen. Ich sauste über das Tal hinüber, in das Flüßchen hinein, drüben wieder heraus und dann auf die Blockhütten zu, ohne mich ein einziges Mal umzusehen, ob mir die Gefährten auch folgten.
    Die beiden Schüsse hatten nicht nur das Echo des Tales geweckt, sondern auch anderes Leben herbeigerufen. Die Türen der Blockhäuser öffneten sich und es erschienen Leute, welche besorgt ausschauten, was das Schießen zu bedeuten habe. Als sie einen Weißen in halbwegs zivilisiertem Kostüm erblickten, beruhigten sie sich und traten mir erwartungsvoll entgegen.
    Vor der Tür des mir nächstliegenden Blockhauses stand ein altes Mütterchen. Ihr Gewand war einfach und sauber; ihr ganzes Äußere zeugte von fleißiger Arbeit und über ihr Angesicht, welches von schneeweißen Haaren eingefaßt wurde, lag jener selig lächelnde Frieden ausgebreitet, welcher nur das Eigentum einer Seele sein kann, die mit ihrem Gott in unwandelbarem Vertrauen lebt.
    „Good evening, grand-mother – guten

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