03 - Winnetou III
doch hatte ich die Luft gegen mich und brauchte daher keine Sorge vor den Pferden zu haben, welche die Annäherung eines Fremden immer mit einem lauten Schnauben zu verraten pflegen. In dieser Beziehung hatte Winnetou mehr Schwierigkeiten zu überwinden als ich.
So war weit über eine halbe Stunde vergangen, ehe ich die zweihundert Schritte zurückgelegt hatte. Nun lag ich unmittelbar hinter dem Büffelhautzelt des Häuptlings, und die Männer, welche am Feuer saßen, befanden sich höchstens acht Ellen vor mir. Sie unterhielten sich sehr lebhaft in englischer Sprache miteinander, und als ich es wagte den Kopf ein wenig vorzustrecken, um sie sehen zu können, bemerkte ich, daß es fünf Weiße und drei Indianer waren.
Diese letzteren verhielten sich ruhig. Nur der Weiße wird am Lagerfeuer laut, während der einsilbige und vorsichtige Indianer mehr durch Zeichen als durch Worte redet. Auch das Feuer brannte hell und nicht nach indianischer Weise.
Einer der Weißen war ein langer, bärtiger Mensch, welcher eine Schmarre, die von einem Messerschnitt herzurühren schien, auf der Stirn trug. Er schien das große Wort zu führen, und die Art und Weise, wie die andern sich zu ihm stellten, ließ vermuten, daß er eine Respektsperson sei. Ich konnte ein jedes Wort hören, welches von den Leuten gesprochen wurde.
„Und wie weit wird es sein von hier bis Echo-Cañon?“ fragte der eine.
„Ungefähr hundert Meilen“, antwortete der Lange. „In drei Tagemärschen ist es sehr leicht zu erreichen.“
„Aber wenn unsere Berechnung falsch ist, wenn man uns nicht verfolgt hat und die Leute dort also vollzählig sind?“
Der Lange lachte in wegwerfender Weise und antwortete:
„Unsinn! Man wird uns verfolgen, das ist sicher. Wir haben ihnen ja die Fährte deutlich genug gemacht. Es sind ungefähr gegen dreißig Menschen mit dem Zug umgekommen, und wir haben eine schöne Beute gemacht; das wird man nicht hingehen lassen, ohne wenigstens den Versuch zu machen, uns einzuholen.“
„Wenn das stimmt so muß der Coup gelingen“, sagte der andere. „Wie viele Leute sind in Echo-Cañon beschäftigt, Rollins?“
„Gegen hundertfünfzig“, antwortete der Genannte; „alle gut bewaffnet. Außerdem gibt es dort einige wohlgefüllte Stores, mehrere Trinksalons, und daß wir eine volle Bau- und Verwaltungskasse finden, darüber brauchen wir keine Sorge zu tragen. Ich habe gehört, daß diese Kasse alle zwischen Green-River und Promontory vorkommenden Ausgaben zu bestreiten hat. Das ist eine Strecke von über zweihundertunddreißig Meilen und es läßt sich also vermuten, daß da viele Tausende vorhanden sein müssen.“
„Heigh-day, das läßt sich hören! Und du glaubst daß wir die Verfolger von unserer Spur wegbringen?“
„Auf jeden Fall. Ich kalkuliere, daß sie morgen am Nachmittag hier sein werden. Wir brechen mit dem Morgengrauen auf, gehen erst eine Strecke nach Norden und teilen uns dann nach verschiedenen Richtungen in so viele Trupps, daß sie nicht wissen, welcher Spur sie folgen sollen. Später verwischt ein jeder Trupp seine Spur auf das sorgfältigste, und wir kommen da unten am Greenfork wieder zusammen. Von da aus vermeiden wir alle offenen Plätze und können von heut an in vier Tagen in Echo-Cañon sein.“
„Schicken wir Boten voraus?“
„Das versteht sich! Sie gehen morgen früh direkt nach dem Cañon und erwarten uns dort am Painterhill. Das ist alles schon bestimmt. Selbst wenn die Arbeiter vollzählig im Cañon vorhanden wären, brauchen wir keine Sorge zu haben. Wir sind ihnen überlegen, und ehe sie zu den Waffen greifen, wird der größte Teil von ihnen gefallen sein.“
Ich hätte wahrhaftig in keinem besseren Augenblick den Lauscher machen können, denn was ich hier erfuhr, das war weit mehr, als ich hätte erwarten dürfen. Sollte ich länger bleiben? Nein. Mehr konnte ich auf keinen Fall erfahren, und der geringste Umstand konnte meine Anwesenheit verraten. Ich zog mich also langsam wieder zurück.
Dies geschah immer noch in tiefgebückter Stellung und zwar rückwärts, denn ich mußte Sorge tragen, meine Spur zu verwischen, damit sie morgen früh nicht bemerkt wurde. Das war, da ich nur nach dem Gefühl gehen konnte und fast jeden Grashalm einzeln betasten mußte, eine höchst zeitraubende Arbeit und es dauerte wohl eine Stunde, ehe ich den Rand des Waldes wieder erreichte und mich nun in Sicherheit befand.
Jetzt legte ich die Hände muschelförmig an den Mund und ließ den Ruf der
Weitere Kostenlose Bücher