03 - Winnetou III
wir sie ruhig nach dem Cañon ziehen lassen.“
„Und wir?“
„Da gibt es nichts zu fragen! Wir kommen ihnen zuvor und warnen die Leute, welche überfallen werden sollen.“
„Well! Diesen Gedanken laß ich mir gefallen. Vielleicht gelingt es uns, diese Raubmörderbande lebendig zu fangen. Aber werden sie uns nicht zu zahlreich sein?“
„Wir sind ihnen zu dreien gefolgt, ohne uns zu fürchten, und werden sie noch weniger fürchten, wenn wir in Echo-Cañon Verbündete gefunden haben.“
„Wir werden nicht viele finden. Die größte Anzahl dieser Leute wird sich auf der Verfolgung befinden.“
„Wir werden dafür sorgen, daß sie von dem Stand der Dinge benachrichtigt werden und schleunigst zurückkehren.“
„In welcher Weise?“
„Ich schreibe einen Zettel und befestige ihn an einen Baum, an welchem die Spur, der sie folgen, vorüberführt.“
„Werden sie es glauben? Es könnte das ja auch eine List der Railtroublers sein, um sie von der Verfolgung abzubringen.“
„Sie werden von unserm Zugpersonal gehört haben, daß zwei ausgestiegen sind, und auch unsere Fährten gefunden haben. Übrigens werde ich die Warnung so abfassen, daß sie geglaubt werden muß. Ferner werde ich sie bitten, den Greenfork und Painterhill zu vermeiden, da am ersteren Ort die geteilten Sioux sich wieder treffen sollen und an dem zweiten die Kundschafter verweilen. Diese letzteren dürfen die zurückkehrenden Eisenbahner keineswegs bemerken, und daher werde ich mitnotieren, daß die Heimkehr nach dem Cañon vom Süden her geschehen muß.“
„Uff!“ meinte da Winnetou. „Meine weißen Brüder werden mit mir aufbrechen.“
„Jetzt? “ fragte Walker.
„Die Sonne muß uns bereits weit von hier sehen, wenn sie aufgeht.“
„Aber wenn man morgen früh unsere Spuren findet?“
„Die Hunde der Ogellallah werden sofort nach Norden ziehen, und keiner von ihnen wird auf diese Höhe kommen, Howgh!“
Er erhob sich und trat zu seinem Pferd, um es loszubinden. Wir taten dasselbe, führten sie aus dem Dickicht heraus, stiegen auf und ritten denselben Weg zurück, den wir gekommen waren. Von einer Nachtruhe war natürlich keine Rede.
Es war noch ebenso finster wie vorher, und nur ein Westmann konnte es unternehmen, bei einem so schwierigen Terrain durch den Urwald auf einer Spur zu reiten, welche er nicht zu sehen vermochte. Ein europäischer Reiter wäre in dieser Dunkelheit abgestiegen, um sein Pferd zu führen; der Hinterwäldler aber weiß, daß sein Tier besser sehen kann als er. Hier zeigte sich Winnetou in seiner Größe. Er ritt voran, über Bäche und Felsen, über Stock und Stein, und nicht ein einziges Mal war er zweifelhaft, welche Richtung er einzuschlagen habe. Mein Schwarzschimmel hielt sich vortrefflich, und auch der alte Viktory schnaubte zwar zuweilen ein wenig mißmutig, hielt aber gleichen Schritt mit uns.
Als es zu grauen begann, befanden wir uns wohl bereits neun bis zehn englische Meilen von dem Lager der Ogellallah entfernt und konnten nun unsere Pferde ausgreifen lassen. Unsere Richtung ging einstweilen grad auf Süd zurück, aber als ich eine geeignete Stelle fand, hielten wir an. Ich riß ein Blatt aus dem Notizbuch, schrieb die notwendigen Notizen mit dem Stift darauf und stach es dann mittels eines zugespitzten Hölzchens in die Rinde eines Baumes so ein, daß es einem jeden, der von Süden her kam, in die Augen fallen mußte. Dann schlugen wir mehr nach rechts hin die Richtung nach Südwest ein.
Zu Mittag gingen wir über den Green-Fork, aber jedenfalls sehr weit entfernt von der Stelle, an welcher die einzelnen Trupps der Ogellallah zusammentreffen wollten. Diese mußten alle offenen Stellen vermeiden und sich also auf Umwegen im Urwald halten; wir aber konnten die möglichst gerade Richtung einschlagen und ließen unseren Pferden nicht eher Ruhe, als bis die Sonne sich zur Rüste zu neigen begann.
Seit heute morgen hatten wir unbedingt weit über vierzig englische Meilen zurückgelegt, und es war zu verwundern, daß der alte Viktory immer gleichen Schritt hielt. Wir ritten zwischen zwei eng zusammentretenden Höhen hin und standen im Begriff, uns einen Ort zu suchen, welcher zum Lagerplatz geeignet war. Da traten die Höhen plötzlich auseinander, und wir befanden uns am Seiteneingang eines größeren Talkessels, dessen Mitte ein kleiner See einnahm. Dieser letztere wurde von einem Flüßchen gespeist, welches von Ost herüberkam und, nachdem es den See verlassen hatte, sich nach
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