03 - Winnetou III
Abend, Großmutter! Ich bitte, nicht zu erschrecken; wir sind ehrliche Backwoodsmen! Wird es uns erlaubt sein, abzusteigen?“ fragte ich.
Sie nickte lächelnd und antwortete:
„Welcome, Sir! Steigt in Gottes Namen ab! Ein ehrlicher Mann ist uns hier stets willkommen. Da seht meinen Alten und meinen Willy; sie werden Euch behilflich sein.“
Die Sänger waren durch meine Schüsse aufmerksam gemacht worden und schleunigst von der Höhe herabgestiegen. Jetzt hatten sie die Wohnungen erreicht, voran ein rüstiger Greis und neben ihm ein prächtiger, junger Mann, hinter ihm noch sechs ältere oder jüngere Männer und Burschen, alle in der festen, haltbaren Tracht des Hinterwaldes. Auch diejenigen Personen, welche ich vor den anderen Gebäuden hatte stehen sehen, waren herzugetreten. Der Alte streckte mir mit biederer Miene die Rechte entgegen und begrüßte mich:
„Willkommen, Sir, in Helldorf-Settlement! Das ist eine Freude, einmal Menschen zu sehen! Willkommen abermals!“
Ich sprang vom Pferd und erwiderte seinen Handschlag:
„Thank you, Sir! Es gibt keinen schöneren Anblick im Leben, als ein freundliches Menschen-Angesicht. Habt Ihr ein Nachtlager für drei müde Reiter?“
„Allemal! Wir werden doch einen Platz haben für Leute, die uns willkommen sind!“
Bis jetzt hatten wir englisch gesprochen; da aber trat einer der jüngeren Männer näher herbei und rief, mich schärfer betrachtend:
„Vater Hillmann, Ihr könnt mit diesem Herrn deutsch reden. Hurra, ist das eine Ehre und eine Freude! Ratet einmal, wer das ist!“
Der alte Hillmann blickte verwundert auf und fragte:
„Wohl gar ein deutscher Landsmann? Kennst du ihn?“
„Ja, aber ich mußte mich erst besinnen. Willkommen, Herr! Nicht wahr, Sie sind es, der das Ave Maria gedichtet hat welches wir soeben gesungen haben?“
Jetzt war ich an der Reihe, mich zu verwundern.
„Allerdings“, antwortete ich. „Woher kennen Sie mich?“
„Von Chicago her. Ich war Mitglied im Gesangverein des Direktors Balding, der Ihr Gedicht komponiert hat. Können Sie sich noch auf das Konzert besinnen, in welchem es zum erstenmal gesungen wurde? Ich sang damals zweiten Tenor, jetzt aber ersten Baß. Meine Stimme ist herabgegangen.“
„Ein Deutscher – ein Bekannter von Bill – ein Dichter – von unserem Ave Maria!“
So rief es rund um mich her, und so viel Männer, Frauen, Buben und Mädchen zugegen waren, so viele Hände streckten sich mir entgegen und so viele Stimmen riefen mir ein immer wiederholtes Willkommen zu. Es war für mich ein Augenblick der Freude, wie man sie nicht sehr oft erlebt.
Mittlerweile hatten uns auch Winnetou und Fred erreicht. Bei dem Anblick des ersteren schienen die guten Leute besorgt werden zu wollen; ich aber suchte ihre Befürchtungen sofort zu zerstreuen:
„Das ist Fred Walker, ein Savannenmann, und dieser ist Winnetou, der berühmte Häuptling der Apachen, vor dem Sie keine Angst zu haben brauchen.“
„Winnetou? Ist's möglich?“ fragte der alte Hillmann. „Von dem habe ich hundertmal erzählen hören, und nur lauter Gutes. Das hätte ich nicht gedacht! Das ist eine Ehre, Herr, denn dieser Mann ist berühmter und geachteter, als mancher Fürst da drüben im alten Land.“
Er nahm seine Mütze von dem ergrauten Haupt, streckte dem Häuptling die Hand entgegen und sagte:
„I am your servant, Sir – ich bin Euer Diener, Sir.“
Ich gestehe, daß diese Ergebenheitsphrase einem Indianer gegenüber mir ein kleines Lächeln abnötigte; aber sie war gut und aufrichtig gemeint. Winnetou verstand und sprach das Englische gut. Er nickte freundlich, drückte dem Alten die Hand und antwortete:
„Winnetou is your friend; he loves the whites if they are good – Winnetou ist Euer Freund; er liebt die Weißen, wenn sie gut sind.“
Jetzt begann eine Art freundlichen, liebevollen Streites darüber, wer die Gäste bekommen sollte. Hillmann machte demselben ein Ende durch den Schiedsspruch:
„Sie sind vor meinem Haus abgestiegen und gehören alle drei mir. Damit ihr aber nicht zu kurz kommt, seid ihr heut abend zu mir geladen. Nun aber gebt den Herren Ruhe; sie werden ermüdet sein!“
Die andern ergaben sich darein. Unsere Pferde wurden in eine der Nebenhütten geführt und wir mußten in das Blockhaus treten, wo uns im Wohnzimmer eine hübsche, junge Frau empfing, die Frau Willys, des jungen Hillmann. Es wurde uns alle mögliche Bequemlichkeit geboten, und während des kurzen Imbisses, den wir vor dem
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