030 - Die mordende Anakonda
ihm.
Joe Rings sah alles nur noch wie durch einen wallenden Nebelschleier, und
es kam ihm so vor, als wäre Beams Gesicht seltsam verzerrt. Seine Mundwinkel
hingen herab, und auf der Stirn, unmittelbar unter dem Haaransatz, zeigte sich
ein Stück braune, glatte Haut, die nicht zum Teint Beams passte.
Doch Rings hatte keine Gelegenheit, weitere Gedanken darüber anzustellen.
Ein Leberhaken ließ ihn zu Boden gehen. Mühsam rappelte der
Gelegenheitsarbeiter sich wieder auf und fühlte die kühle Wand im Rücken. Aber
jetzt war er nur noch ein Spielball in den Händen seines Gegners.
Hart und unbarmherzig schlug Beam zu. Jeder Schlag saß. Joe Rings wurde an
der Wand entlang getrieben, und es gelang ihm nicht mehr, dem Zugriff Beams zu
entkommen.
Nur einmal noch brachte er einen verzweifelten Angriff vor. Er stieß Beam
auf die Seite.
Der Getroffene rutschte auf dem Boden aus und fiel genau gegen den kleinen
Hebel, der aus der Wand neben der Metallklappe des Terrariums ragte, in dem die
Anakonda untergebracht war.
Dann fiel Joe kraftlos zu Boden.
Sekundenlang war auch Beam wie benommen, und der Unglücksfall, der
weitreichende Folgen haben sollte, kam ihm nicht zu Bewusstsein.
Er bemerkte nicht, dass die Schachtklappe an der Decke des
Anakonda-Terrariums sich lautlos und langsam zur Seite bewegte.
Beams Aufmerksamkeit wurde voll auf die beiden herangleitenden Kobras
gelenkt, die züngelnd und zischend näher kamen. Der Lärm und die Bewegung
hatten sie angelockt.
Joe Rings stöhnte. Er rollte sich über den Boden und wusste nicht mehr, was
er noch tun sollte, um der Schwäche Herr zu werden. Er fühlte, dass dies das
Ende war. Der Blutverlust machte ihn zum hilflosen Baby.
Er sah den Schlangenkörper vor sich, fühlte aber nicht mehr den Biss.
Beam, die Gefahr erkennend, in der er schwebte, kam auf die Beine und
versuchte noch, nach der Stange mit dem Haken zu greifen, die nur eine Armlänge
von ihm entfernt an der Wand hing.
Da fühlte er schon die Bewegung an seinen Beinen. Die zweite Kobra
schlängelte sich seine Waden hoch, wurde durch Beams rasche Bewegung erschreckt
und biss sofort zu.
Über Beams Lippen kam kein Ton. Er konnte mit Schlangen umgehen. Er
brauchte nur zwei Minuten, um sich von der Kobra zu befreien. Wütend
schleuderte er sie in den dämmrigen Gang zurück und starrte mit weit
aufgerissenen Augen auf die blutende Bisswunde an seinem Arm. Dann begann er zu
rennen, ohne noch einmal einen Blick in den unheimlichen Keller zurückzuwerfen.
Er stürzte die Treppen hoch. Er musste sich beeilen. Jede Sekunde war kostbar.
Von jeder Giftschlange hier in den Terrarien gab es ein Serum. Wenn es ihm gelang,
es rechtzeitig zu injizieren, dann war die Gefahr für ihn gebannt.
Für Joe Rings kam jede Hilfe zu spät, und Beam hatte kein Interesse daran,
auch nur einen Finger krumm zu machen.
●
Nur millimeterweise glitt die Schachtklappe an der Decke auseinander.
Helles Tageslicht, durch das Blattwerk der Bäume grünlich gefiltert, drang in
den muffigen Kellerraum.
Die Anakonda spürte den Luftzug. Es war, als würde eine unsichtbare Hand
sie berühren. Der bräunlich-grüne Reptilkörper bewegte sich. Die dunklen Augen
glitzerten. Die schwere, wadenstarke Riesenschlange schob sich behänd über den
warmen Boden. Ein Drittel ihres Leibes glitt durch das brackige Tümpelwasser.
Dann schlängelte sich die Anakonda am schwarzen Baumstumpf in die Höhe und
näherte sich der auseinanderschiebenden Klappe. Helles Tageslicht fiel auf den
flachen Reptilkopf.
Die Anakonda kannte diesen Schacht. Er wurde oft geöffnet, wenn das Wetter
trocken und schwül war. Aber er wurde nur so weit geöffnet, dass die Schlange
das Terrarium nicht verlassen konnte.
Doch diesmal war kein Bewacher da, der die Breite der Schachtöffnung
bestimmte. Der Hebel war voll heruntergezogen, und die Klappe wich bis zum
Anschlag zurück.
Die Anakonda glitt nach außen, verließ das Terrarium und schob sich durch
das Gras auf das Dickicht zu. Die Klappe war ein getarntes Kellerfenster in dem
kleinen, abseits gelegenen Zweithaus des Iren James Beam. Von hier bis zu dem
verwilderten Fleck mit dem Gebäude, das er den Studenten überließ, waren es nur
fünfhundert Meter. Aber dazwischen lag eine waldreiche Zone mit Sträuchern und
Dickicht. Das Haus zu finden, in dem die Studenten oft Unterkunft suchten, war
schon schwierig. Aber jenes Haus ausfindig zu machen, in dem Beam zurückgezogen
und einsam lebte, war noch
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