030 - Hexensabbat
Sabbat das Haus zu verlassen. Ich sollte mich auf meine Weihe vorbereiten und durch nichts ablenken lassen. Widerspruch einzulegen, war sinnlos, dafür kannte ich meinen Vater zu gut. Er setzte stets seinen Willen durch.
Resigniert blieb ich auf meinem Zimmer und verließ es nur zum Abendessen. Meine Geschwister unterhielten sich nicht mit mir. Ich wurde von allen ignoriert und kam mir wie eine Aussätzige vor. Nach dem Essen zog ich mich wieder zurück und traf alle Vorbereitungen zur Beschwörung. Als es dunkel wurde, zog ich die Jalousien herunter und holte die Wachsfigur, in deren Kopf Ruperts Haare steckten, aus dem Schrank. Ich kniete auf dem Boden nieder, zog den magischen Kreis und schrieb rundherum einige Formeln nieder. Dann schloß ich die Augen und konzentrierte mich. Im Haus war es ruhig; nichts störte meine Konzentration. Doch so sehr ich mich auch bemühte, es gelang mir nicht, mit Rupert Kontakt aufzunehmen. Erschöpft brach ich meine Bemühungen nach einer halben Stunde ab und legte mich aufs Bett. Ich entspannte eine Stunde und versuchte es dann nochmals – ohne Erfolg.
Vermutlich hatte mein Patenonkel seine Drohung bereits wahr gemacht.
Entweder hatte er dafür gesorgt, daß Rupert fortgebracht worden war, oder der Junge war bereits tot.
Verzweifelt legte ich mich schließlich ins Bett. Ich war sicher, daß ich Rupert nie wiedersehen würde.
Der Tag des Sabbats war da.
Im Laufe des Vormittags trafen meine anderen Geschwister ein. Adalmar, mein ältester Bruder, war ein finster dreinblickender Mann, der einen gewaltigen Vollbart trug, welcher ihm ein unheimliches Aussehen verlieh. Er hielt sich nur selten in Wien auf; die meiste Zeit verbrachte er in einer einsamen Gegend in den Abruzzen, wo er seinen Experimenten nachging. Er war wortkarg und von einer penetranten Überheblichkeit. Mit meinem Vater verstand er sich überhaupt nicht.
Georg, der Zweitälteste Bruder, war ein durchschnittlich aussehender Dämon, der in der Schwarzen Familie viele Freunde hatte und überall ein gern gesehener Gast war. Lydia war die älteste Schwester. Sie sah meiner Mutter überraschend ähnlich und war als mannstoll verschrien. Ihr war es egal, ob sie sich mit einem Dämon oder einem gewöhnlichen Sterblichen einließ; für sie schien das Leben nur aus Sex zu bestehen, was Vater überhaupt nicht gefiel. In Wien gab sie sich relativ solide, doch die meiste Zeit lebte sie in London, und die Berichte, die mein Vater von dort gelegentlich erhielt, riefen bei ihm regelmäßig schlimme Wutanfälle hervor.
Nach dem Abendessen versammelten sich alle im großen Wohnzimmer. Nur ich war von der Versammlung ausgeschlossen und mußte in meinem Zimmer bleiben.
Inzwischen hatte ich abermals vergeblich versucht, mit Rupert Kontakt aufzunehmen. Ich hatte mir den Kopf zermartert, wie ich Asmodi doch noch entrinnen und den Hexensabbat abbrechen könnte. Ich hatte entsetzliche Angst vor dieser Nacht. Unruhig lief ich im Zimmer auf und ab. Ich wußte ganz genau, daß man von mir einige schreckliche Dinge verlangen würde. Außerdem würden mir grauenvolle Geschenke dargebracht werden.
Als es zu dunkeln begann, setzte ich mich. Allmählich wurde ich ruhiger und begann mich mit meinem Schicksal abzufinden.
Es war ja doch zwecklos, sich dagegen aufzulehnen. Die Zeit verging im Schneckentempo. Ich konnte zusehen, wie die Zeiger der Zimmeruhr vorrückten.
Kurz nach zehn betrat mein Vater das Zimmer, und ich stand auf.
»Es ist bald soweit, Coco. Du solltest dich schon mal vorbereiten – und mach mir keine Schande, Mädchen!« warnte er mich.
»Ich werde dir keine Schande machen«, wiederholte ich tonlos.
Als er mein Zimmer wieder verlassen hatte, kleidete ich mich rasch aus. Aus dem Schrank holte ich eine kleine Flasche, die ich entkorkte. Ich rieb mir das Gesicht und den Körper mit der scharfen Flüssigkeit ein und schlüpfte in einen schwarzen Umhang, der mir bis zu den Knöcheln reichte. Um die Füße schnürte ich mir Sandalen, und dem Umhang gab ich mit einer schwarzen Gürtelschnur Halt, die ich mir um die Taille schlang.
Dann verließ ich das Zimmer und stieg langsam die Stufen hinunter. Aus dem Wohnzimmer drangen gedämpfte Laute. Einen Augenblick blieb ich stehen, doch dann ging ich rasch weiter. Eine Minute später hatte ich das Haus verlassen und lief durch den Garten.
Noch wußte ich nicht, wo der Hexensabbat stattfinden würde, doch magische Zeichen würden mir den Weg weisen. Ich mußte allein gehen und den
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